Was treibt Millionen junger Frauen nur dazu, sich nach einer „thigh gap“ zu sehnen?

Sagt Ihnen der Begriff „thigh gap“ etwas? Macht nichts, das ist wirklich keine Bildungslücke. Aber eine Lücke schon. Und zwar zwischen den Oberschenkeln einer Frau – wenn sie mit Füßen zusammen dasteht und man trotzdem prima hindurchsehen kann. Nun sollte man annehmen, dieses Phänomen sei zeitgeschichtlich keiner besonderen Erwähnung wert, hätte sich diese Beinlücke nicht plötzlich zum Sehnsuchtsziel junger Frauen entwickelt.

Wiki hat angesichts der stürmischen Nachfrage im Internet bereits einen Ratgeber auf Deutsch und Englisch bereitgestellt, wo detailliert erklärt wird, wie man diese Lücke durch allerlei Übungen erwerben kann – sofern man sich konstruktionsbedingt dafür eignet. Das Ganze gipfelt in dem ungemein hilfreichen Hinweis, dass der sicherste Weg zur „thigh gap“ immer noch breite Hüften seien. Natürlich sind wieder halb verhungerte Models an dem seltsamen Trend schuld, von denen viele gebaut sind wie bei Christian Morgenstern beschrieben: „Ein Lattenzaun mit Zwischenraum hindurchzuschaun.“

Für einen Mann ist es allerdings völlig unverständlich, warum man sich bei Betrachtung dieser ansehnlichen Frauenregion, die als Königsweg weiblichen Charmes gilt, wünschen sollte, hindurch auf etwas anderes zu blicken. Manch dürres Models sieht damit aus, als habe man ihm soeben das Pferd gestohlen. Bezüglich des britischen Supermodels Cara Delevingne gibt es inzwischen sogar einen eigenen Twitter Account, der sich ausschließlich mit ihrer „thigh gap“ beschäftigt, die als „perfekt“ beschrieben wird.

Geht’s noch? Das australische Supermodel Robyn Lawley jedoch, das im Internet als „fett“ gedisst wird, weil es einen erfreulich normalen Frauenkörper ohne „thigh gap“ hat, sagte, sie treibe im Gegenteil Sport, um muskulöse Oberschenkel zu bekommen. Im Übrigen seien Frauen schon genug Druck ausgesetzt, um sich nun auch noch einen Beinlücken-Wunsch aufzuladen.

Recht hat sie. „Eine neue, auffallende Mode, wenn sie auch höchst lächerlich sein sollte, hat etwas Ansteckendes an sich für junge Leute, die noch nicht über sich und die Welt nachgedacht haben“, hat Wilhelm Hauff gesagt, Autor von Hauffs Märchen. Das war übrigens 1827. Besonders viel dazugelernt haben wir seitdem offenbar nicht.