Dem Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ entnehme ich, dass sich Jonathan Franzen, der Autor des großen Erziehungs- und Entwicklungsromans „Die Korrekturen“, an ein sprachliches Sisyphos-Projekt gemacht hat, an die (teilweise) Übersetzung der „Fackel“ von Karl Kraus, der großen Ein-Mann-Zeitschrift, die Kraus von 1899 bis 1933 betrieb – danach nur noch in unregelmäßigen Abständen.

Kraus’ 1933 entstandene „Dritte Walpurgisnacht“ beginnt mit dem berühmten Satz: „Mir fällt zu Hitler nichts ein.“ 1934 jagte Kraus noch einer Ausgabe hinterher, einer Sonderausgabe, die eine 16-fach-Nummer war, 316 Seiten stark, worin Kraus eigentlich eingesteht, dass die Sprachkritik, seine stärkste Waffe, am Faschismus zugrunde gehen muss.

Eines der großen Themen der „Fackel“ war, wie es in einem Sammelband heißt, der „Untergang der Welt durch schwarze Magie“, sprich der Untergang der Welt durch die Zeitungen, durch die Presse, gegen die Karl Kraus in seiner Ein-Mann-Zeitung ausgerechnet auch mit „schwarzer Magie“, also dem gedruckten Wort, ankämpfte. Karl Kraus kämpfte gegen die austriakische Lethargie des Leitsatzes: „Gar net erst ignorieren.“ Die FAZ zitiert jetzt eine schöne Anwendung dieser Negation einer Negation, indem sie ein Diktum aus der „Fackel“ erinnert: „Nicht grüßen genügt nicht. Man grüßt auch Leute nicht, die man nicht kennt.“

Solche Sätze einer weisen und letztlich melancholisch-nihilistischen Welthaltung finden sich bei Kraus und seinen Zeitgenossen viele. So ruft er einem sich bescheiden gebenden Zeitgenossen zu: „Machen Sie sich nicht so klein, so groß sind Sie gar nicht!“

Ich habe mir für mein Alters-Buch einen Teil seiner Aphorismen ausgeborgt, der so geht: „Wenn die Sonne niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.“

Als Karl-Kraus-Satz könnte auch ein Dialog gelten, bei dem ein Atheist sich mit einem Agnostiker unterhält und diesem entgegenschleudert: „Ich glaube nicht an Gott!“ Worauf der Agnostiker antwortet: „Sehen Sie, das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Ich glaube nicht einmal das.“ Diese Haltung prägt auch den Nestroy-Satz, den Kraus zustimmend zitierte: „Die edelste Nation ist die Resignation.“ Wie auch den von Alfred Polgar, der über eine seit Jahren stehen gebliebene Uhr auf einer belebten Wiener Hauptstraße schrieb: „Mindestens zwei Mal am Tag geht die Uhr auch richtig. Man muss nur den richtigen Augenblick erwischen.“