Steht Schwarz-Gelb bald wieder auf der Speisekarte? Oder wird eine Große Koalition noch mal aufgewärmt?

Es war Rudolf Augstein, der mich vor vielen Jahren mit der politisch-kulinarischen Einsicht vertraut machte: Man soll den Teller nicht aus dem Fenster werfen, von dem man vielleicht noch wird essen müssen. An diese Küchenweisheit musste ich Ende letzter Woche denken, als sich die Grünen wegen ihres rigorosen Trittinismus (harte Steuerdrohungen gegen die eigene Kernklientel und ein vegetarischer Bevormundungswahn) im freien Fall unter die Zehn-Prozent-Marke befanden. Der „Stern“ hat das auf ein treffendes Bild gebracht: Es zeigt den Spitzenkandidaten strauchelnd in Rettungsweste an einer Sanddünentreppe. Platsch, gleich wird er auf der Nase landen. Und jetzt kommt der Teller. Steinbrück hatte tapfer und rigoros zum Antritt seiner Kandidatur erklärt, eine Koalition mit Merkel käme nie und nimmer infrage. Nicht mit ihm! Jetzt, nach dem TV-Duell im Aufwind, stürzt ihm sein Wunschpartner weg.

Und schon melden sich in seiner Partei die Zeichen und Stimmen, noch leise, aber hinter kaum vorgehaltener Hand, dass die Große Koalition dem Land doch viel gebracht habe, die Heraufsetzung des Rentenalters durch Müntefering und Niedriglöhne, die der Staat subventioniert, gegen die Arbeitslosigkeit.

Dass sich zu Beginn von Schwarz-Gelb (der Start war durch die Möwenpick-Subvention ohnehin sozial vergiftet) ein durchgehender Fehler zog, auch durch Westerwelles albernes Geschwätz von der spätrömischen Dekadenz der Erwerbslosen, kommt erschwerend hinzu. Deshalb zittert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde entlang. Und Huckepack, wie in Niedersachsen, hat sich als Himmelfahrtkommando der CDU erwiesen. Also hat die Kanzlerin nix zu verleihen und war auch in ihrem Hausfrauen-Pragmatismus klug genug, kein Geschirr zu zerdeppern, also keine Option nach der Wahl auszuschließen. Noch beim Duell fand sie freundliche Aufmunterungen für Steinbrück.

Und der? Wird er, wenn es für Rot-Grün nicht reicht, in einer Woche ohne Teller seine Worte aufessen? Vielleicht mit dem Pathos, das Vaterland ruft? Oder wird er zu Scrabble und Schachspiel in den schon vorgeübten Ruhestand zurückkehren? Alles ist möglich. Man kann auch zerschlagenes Porzellan wieder kitten, um davon zu essen.

PS: Inzwischen hat Steinbrück die (Koalitions-)Arme weit geöffnet. Er will für die SPD nun doch „den Schröder machen“ — als Verhandlungsführer für eine Große Koalition.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt