Ja, das „Stopfei“ steht noch im neuesten Duden, und auch der „Stopfpilz“, der in „Dudens großem Wörterbuch der deutschen Sprache“ von 1999 noch die Definition liefert: „Beim Stopfen verwendete hölzerne Unterlage.“

Und sofort hat man ein altes Bild vor Augen, aus der Zeit, als mehrere Generationen noch unter einem Dach lebten, einerseits, und es noch keine Billiglohnländer wie Pakistan gab, andererseits. Da saß die Großmutter mit dem Stopfkorb möglichst nah am Fenster, blinzelte ins Licht, wenn sie die Nadel mit dem Faden durch das Loch im Strumpf und in der Socke zog. Es war das gute (auch weniger gute) Haus- und Handwerk, wie es sich durch Grimms Märchen zieht. Manuell, ohne jeglichen technischen Fortschritt.

Doch jetzt ist ein Buch über die „deutschen Tugenden“ („Von Anmut bis Weltschmerz“) erschienen. Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, hat es geschrieben, dem wir schon das wunderbare Buch über „Manieren“ verdanken. Der seit über 40 Jahren in Deutschland lebende kaiserliche Nachkomme versteht sich auf deutsche Sitten und Unsitten und jetzt auch auf Tugenden – und ihr Gegenteil: die Laster. Also auf die deutsche „Sparsamkeit“ wie den mit ihr korrespondierenden „Geiz“.

Ein dankbares Stichwort ist der deutsche „Erfindergeist“, in dem Asserate auch die Hymne des Ingenieurs von Heinrich Seidel aus dem Jahr 1871 zitiert: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.“ Recht hatte er, denn Deutsche haben das Grammofon wie den Teebeutel, den Alleskleber wie die Dauerwelle, den Kühlschrank, das Aspirin, das Auto, das Fahrrad, den Computer und das Papiertaschentuch erfunden. Und so weiter und so fort …

Einen Erfinder hebt Asserate hervor. Es ist Konrad Adenauer, der erste Nachkriegskanzler, dessen Bundesrepublik der kaiserliche Verwandte Asserates als einer der ersten ausländischen Staatsgäste besuchte. Adenauer, von den Nazis zur politischen Untätigkeit verdammt, züchtete neue Rosensorten und erfand einige Dinge: einen elektrischen Insektentöter, eine Wurst mit Friedensgeschmack, eine Gießkanne mit klappbarem Brausekopf, und ja: „ein von innen beleuchtetes Stopfei“. Was für eine bahnweisende Erfindung, wenn es die Großmutter mit dem Stopfkorb noch gäbe. Und nicht die Wegwerfsocken aus den Billiglohnländern!