Der Senat will eine weiblichere Sprache, aber schwimmt dem Zeitgeist doch meilenweit hinterher

Früher war nicht alles besser; aber einfacher war es schon. Wurde ein Kind geboren, lautete die Frage, ob es ein Mädchen oder Junge sei. Wer heute so unbedacht formuliert, zieht sich den Zorn der Gleichsteller_Innen zu. Denn Geschlecht ist so was von reaktionär, vorgestrig wie Rechenschieber, Zigarettenspender oder Käseigel zusammen. Wir leben längst in der schönen neuen Welt des „Gender Mainstreaming“. Und das ist weit mehr als ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für arbeitslose Soziologen.

Es geht um die ganz großen Fragen nach dem einstmals kleinen Unterschied. Und die Politik gibt Antworten. In Berlin-Friedrichshain haben Piraten, Grüne, SPD und Linke jüngst das „binäre Geschlechtersystem“ überwunden und der hippen Hauptstadt Unisex-Toiletten geschenkt – damit auch lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen im Falle eines Falles ein Örtchen finden.

Die „Antidiskriminierungsstelle des Bundes“ hat eine – natürlich EU-geförderte wie ellenlange – Handreichung zu „Diversity-Prozessen in und durch Verwaltungen anstoßen“ veröffentlicht, die Deutschlands Behörden den Ton vorgibt und die Leviten in „gendersensibler Sprache“ liest. Die Verfasser benutzen geschlechtsneutrale Bezeichnungen oder greifen auf die Schreibweise durch Unterstrich zurück. Die Lücke, wir zitieren, „macht darauf aufmerksam, dass es jenseits von Frauen und Männern auch Personen gibt, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen können oder wollen“. Das ist nicht nur großes Kabarett, sondern auch schwarz-gelbe Realität.

Hamburg schwimmt der Entwicklung hingegen hinterher. Senatorin Jana Schiedek erwägt nun, eine Software für weiblichere Sprache in der Verwaltung einzuführen. Die soll automatisch den „Bürgern“ die Worte „und Bürgerinnen“ hinzufügen. Was aber ist mit den Unentschiedenen in der Mitte? Es muss natürlich politisch korrekt Bür-ger_Innen heißen. Mut zur Lücke! Wahrscheinlich hatten die Grünen doch recht, als sie schon 2005 schimpften: „Für diesen Senat ist Gender Mainstreaming ein Fremdwort.“