„Mitreißend“ soll sie sein: Die Schweizer sind ihrer Nationalhymne überdrüssig – und suchen eine neue

Wer sein Vaterland richtig lieb hat, legt gern seine Rechte ans Herz, wenn die Nationalhymne ertönt. Das mag zur Kontrolle dienen, wie der Mensch heute auf die vom Pathos ferner Heldentaten triefenden Texte und Melodeien medizinisch reagiert. Das ist übertrieben? Nein, selbst die traditionsbeseelten Schweizer, die gerade ihren 165. Nationalfeiertag besungen haben, wollen ihren „Schweizerpsalm“ von 1841 durch ein peppigeres Lied ersetzen.

Naturgegeben will die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (die Jahr für Jahr zur nationalen Bundesfeier auf die Rütliwiese lädt) ihr Vorhaben laaaangsam angehen lassen: Im ersten Halbjahr 2014 können Ideen eingereicht werden; in der folgenden Jahreshälfte kürt eine Jury aus 20 Köpfen den Siegertitel. Erst 2015 soll die Regierung ihren Segen geben.

Den gab bisher die Kirche. Die (noch) gültige Hymnenmelodie der Eidgenossen stammt vom Zisterziensermönch Alberich Zwyssig. Er kopierte genialerweise seinen eigenen Messgesang („Ich will Dich lieben, Herr“), den er 1835 zur „Pfarrinstallations-Feier“ der Dorfkirche von Wettingen abgeliefert hatte. Posthum kann er dankbar sein, dass seine Landsleute, die nach einer „modernen und mitreißenden“ Version suchen, die Musik der Alt-Hymne „erkennbar“ durchtönen lassen wollen. So schätzen die Schweizer Prinzipien: „Jedes Problemli het zwöi siite: die fauschi ond üsi.“ Übersetzt: „Jedes Problem hat zwei Seiten: die falsche und die unsrige.“ Und zur „unsrigen“ gehören seit 25 Jahren Initiativen, die eine neue Hymne anregen.

Wird ein neuer Text die Schönheiten der Republik so innig loben wie gehabt? Kostprobe: „Wenn der Alpenfirn sich rötet, betet, freie Schweizer, betet!“ Oder sind kritische Untertöne erlaubt? Vorschläge im Internet: „Fleiß und Arbeit über alles, nichts zu heikel, Geld zu machen, oh, du neutrale, wunderbare Schweiz.“ Vielleicht lassen sich in der neuen Hymne zwei Zeilen aus der alten unterbringen. Sie klingen so schön zeitlos: „In des Himmels lichten Räumen kann ich froh und selig träumen!“