Wie Marilyn Monroe über einem Luftschacht der New Yorker U-Bahn zum Sinnbild der Hitze wurde

In einem Lexikon über die Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten unserer deutschen Sprache fand ich die Erkenntnis, dass wir Deutschen uns keinen Reim auf den Menschen machen können. Nichts reimt sich auf „Menschen“. Weshalb die Europäische Hymne, Schillers „Ode an die Freude“, so geht: „Alle Menschen werden Brüder“ und nicht: „Alle Brüder und Schwestern werden Menschen.“ So ist das mit Gereimtheiten und Ungereimtheiten.

Der großartige Hamburger Lyriker Peter Rühmkorf reimte deshalb trotzig: „Die schönsten Verse des Menschen / Sind die Gottfried Bennschen.“ Warum mir das einfällt? Weil diesmal im Scheitelpunkt der Hundstage, wo eine zornige afrikanische Sonne über Nord und Süd, über Neapel, New York, die Provence und Deutschland gleichermaßen gnadenlos das Hirn ausbrennend herfällt, mir Gottfried Benns Gedicht einfällt. „Einsamer nie als im August: / Erfüllungsstunde –, im Gelände / die roten und die goldenen Brände, / doch wo ist deiner Gärten Lust?…“ Es ist ein Gedicht von der panischen Einsamkeit und Grausamkeit der Hundstage, von der besonders eindringlich das „klassische“ amerikanische und italienische Kino in hitzigen Bildern erzählt, in Al Pacinos „Dog Day Afternoon“ etwa. Aber auch sonst.

Da kühlen überflutende Hydranten kochende Straßen, Menschen, die nachts auf Feuerleitern in New York wie in Neapel kauern, mit Menschen in T-Shirts bevölkerte Straßen von der Hundstage-Raserei. Gangster werden in Friseurstühlen hingerichtet. Jugendbanden, wie in Zeffirellis „Romeo und Julia“ oder Bernsteins „West Side Story“ kühlen sich am Brunnen oder fallen in heißen Straßen übereinander her.

Und dann fällt mir die schönste Hundstage-Szene überhaupt, die Monroe-Szene aus dem „Verflixten 7. Jahr“ ein. New York ist ein einziger Hitzekessel, nur der Verlagslektor Tom Ewell muss arbeiten – und als seine Nachbarin zieht die unwiderstehlich unschuldig laszive Marilyn Monroe ein, während seine Frau an der Küste mit den Kleinen Urlaub macht. Nein, es passiert nicht, was üblicherweise passiert, wir schreiben das zensurprüde Jahr 1955.

Aber in der Hitze der Nacht schlendern Ewell und Monroe über den Times Square. Und dann fährt unten die Metro vorbei. Und MM benutzt ihren Luftstrom für einen Moment der Kühlung von New York ältester Klimaanlage. Ihr Rock weht hoch, während sie verlegen glücklich lächelt. Seit dieser Nacht ist Marilyn über dem Luftschacht die Ikone der Hundstage.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt