Die einfachste Lösung ist oft die beste – das lernen deutsche Forscher von afrikanischen Fährtenlesern

Das Rasiermesser des ollen Wilhelm von Ockham ist ein wirklich praktisches Gerät. Zwar bekommt man durch seine Anwendung keine babypo-glatte Gesichtshaut. Dafür hilft es bei Spekulationen über die Ursachen von Phänomenen. Denn dem nach einem mittelalterlichen Gelehrten benannten Prinzip zufolge ist – verkürzt gesagt – von mehreren möglichen Erklärungen grundsätzlich diejenige zu bevorzugen, die am einfachsten ist.

Ein Beispiel: Wenn ich am Morgen meine Brille nicht neben dem Bett finde, sondern im Kühlschrank unter der Salami, kann ich beginnen, hochkomplexe Hypothesen aufzustellen.

Möglicherweise war in der Nacht ein Einbrecher in der Wohnung, der auf der vergeblichen Suche nach Wertsachen übellaunig wurde und statt des Sparstrumpfes den Kühlschrank geplündert hat. Aus purer Perfidie hat er danach die Brille genau dort abgelegt, um mich zu ärgern.

Deutlich wahrscheinlicher ist, dass ich einfach nur wieder schusselig war.

Ähnliches ist jetzt einigen Archäologen widerfahren, die sich für die Untersuchung von steinzeitlichen Fußspuren kompetenter Hilfe versicherten. Drei namibische Fährtenleser vom Volk der San halfen Tilman Lenssen-Erz und Andreas Pastoors bei der Interpretation von frühmenschlichen Fußstapfen in südfranzösischen Höhlen. Und sie kamen zu verblüffenden Erkenntnissen. Nicht nur, dass der bislang als erster Schuhträger der Geschichte angenommene Frühmensch in Wirklichkeit barfuß unterwegs war. Auch der nach bisheriger Expertenmeinung für eine gebückte Haltung sprechende Abdruck in einer Höhle mit sehr niedriger Decke hat eine noch einfachere Erklärung: Kein gekrümmter Erwachsener, sondern ein aufrecht gehendes kleines Mädchen hat dort vor langer Zeit seine Spuren hinterlassen.

Um das mittelalterliche Lob der Einfachheit um einige neuzeitliche Gelbe Seiten zu erweitern: Vielleicht hätten die Wissenschaftler gleich jemanden fragen sollen, der sich mit so etwas auskennt.