Wagner-Dirigent Christian Thielemann sieht Volksmusik-Shows und bewundert Schlagerstars

In geräumiger Jogginghose und mit Bärchen-Pantoffeln an den Füßen, mit Dosenbier links und Paprika-Chips rechts? Wir wissen nicht, wie Christian Thielemann - hauptberuflich Stardirigent, vor allem in Bayreuth und neuerdings auch bei der Sächsischen Staatskapelle in Dresden - es sich an seinen freien Abenden bequem macht, wenn irgendwelche lustigen Musikanten über die Mattscheibe frohlocken und vor einer Kulisse aus Gartencenter-Springbrunnen und Papp-Alpen ihr Liedgut auf die Zielgruppe loslassen. Aber dass er gerne zuguckt, hat er jetzt freimütig der "Zeit" verraten. Wir gönnen ihm natürlich seine privaten Schunkelmomente. Es ist immer gut, seinen Bildungs-Horizont zu erweitern, in welche Richtung auch immer.

Und außerdem: ständig im kneifenden Frack, diese stundenlangen Wagner-Opern vorm Taktstock, das ist auf Dauer doch auch kein Zustand. Mitklatschen des Publikums ist total verpönt auf dem Grünen Hügel, fröhliche Polonaisen mit den Hauptdarstellern sind dort wegen der engen Sitzreihen schwierig. Kein Wunder, dass Thielemann mal einen akustischen Tapetenwechsel haben möchte. Da sind Marianne und Michael genau das richtige Gegengift zu Tristan und Isolde.

Der Grat zwischen Fremdschämen und dem Genuss einer Portion guilty pleasure ist arg schmal. "Manchmal drehe ich den Ton ab und schaue nur, wie toll die sich bewegen", sagte Thielemann. "Ich sage nicht, dass ich zu Hause die Wildecker Herzbuben hören muss. Aber ich finde es eine absolute Arroganz, sich darüber zu erheben."

Erstaunlich, etwas derart Freundliches von einem Dirigenten zu hören, der überhaupt nicht für stilistische Toleranz zu haben ist. Aber vielleicht ist Thielemanns Bekenntnis zum Respekt vor Howard Carpendale und Helene Fischer ja auch der Beginn ganz neuer Opernerlebnisse: Florian Silbereisens sonniges Gemüt ist wie gemacht für den reinen Tor Parsifal. Und Blancos "Puppenspieler von Mexiko" wäre eine auch touristisch aparte Alternative zum "Meistersinger von Nürnberg".