Vor Jahren, das elektronische Zeitalter steckte noch in den Kinderschuhen, hat der kanadische Kommunikationsphilosoph Marshall McLuhan die Theorie von der Welt als elektronisches Dorf aufgestellt.

Wenn ich mich nicht irre, hatte er das positiv gemeint, und wir hatten es auch zustimmend nickend so empfunden: keine Grenzen mehr, die Welt ein Global Village, und wenn in China ein Sack Reis umfällt, können wir das auch in Hamburg, Winsen an der Luhe oder Neustrelitz als Schaulustige auf dem gleichen Marktplatz mitverfolgen - wenn wir nur wollen, und wenn die Medien das nötige Interesse für den Sack Reis erwecken können. Eine Welt, verbunden in einem einzigen Marktplatz, wie schön, wie toll, wie großartig!

Das gilt immer noch, nur dass sich unsere Freude in das pure Grauen verwandelt hat. Auf einmal erinnert uns das Global Village an die mittelalterliche Stadt oder das mittelalterliche Dorf mit all seinen Schrecknissen und Bedrohungen. Damals wurden Menschen an den Pranger gestellt, wenn auch nur irgendein finsteres Gerücht aufkam, und mussten tagelang nach ihrer Festnahme mit Dreck, Abfällen, Müll und Dünger, also Stinkendem, Verfaultem beworfen stehen, bevor sie ins Verlies geworfen wurden oder an den Galgen kamen.

Man kann über Bettina Wulff denken und glauben, was man will, und sie lädt mit ihrem Buch nicht gerade zu wohlwollenden Gedanken ein, aber wie sie mit Rotlicht-Gerüchten zugemüllt wurde, das hatte schon mittelalterliche Züge. Gegen diesen Shitstorm scheint kein Kraut gewachsen, er klebt unlöschbar im Netz. Immer bleibt etwas hängen, die Einsicht Plutarchs ist grausige elektronische Wahrheit.

Nun erleben wir noch schlimmere Rückfälle in mittelalterliche Exzesse. Andersgläubige werden, wie das Schicksal Salman Rushdies zeigt, der Scharia überantwortet, als Ausgestoßene gejagt und verfolgt, als wären wir kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg, in der Spanischen Inquisition oder kurz vor den Kreuzzügen zwischen Mamelucken und Christen.

Jetzt tobt vor den Botschaften der USA, Frankreichs und Deutschlands in der arabischen Welt die Lynchjustiz des Mobs, ein Mittelalter nur kurz nach den mühsam errungenen Toleranzjahrhunderten. Statt "Zurück in die Zukunft" heißt es "Vorwärts in die Vergangenheit"! Und, schlimmer, die modernen Barbaren haben statt Lanzen und Hellebarden Kalaschnikows, Panzer, Raketen, chemische Waffen und Atomwaffen-Potenziale.

Ein Mittelalter im Hightech-Format zu der Mentalität von Pfahldorf-Bewohnern. Schöne Aussichten!