Warum ein absonderlicher Pilz aus dem tibetischen Hochland zur deutschen Sporthilfe werden könnte

Über den chinesischen Raupenpilz muss man sagen, dass er ein ziemlich unsympathischer Bursche ist, der die Fantasie der meisten Horrorfilmer geradezu armselig erscheinen lässt. Er befällt nämlich die im Erdreich lebenden, ahnungslosen Raupen von Motten aus der Familie der Wurzelbohrer, ernährt sich von ihrem Inneren und mumifiziert sie, was die Raupen alles nicht sonderlich gern haben. Dann treibt er ein keulenförmiges Gewächs aus ihrem Kopf aus dem Boden heraus.

Eigentlich müsste man über diese Prozedur den Mantel des Schweigens breiten - stünde dieses Lebewesen aus der Ordnung der Krustenpilzartigen nicht in stark vermutetem Zusammenhang mit den enormen Erfolgen chinesischer Sportler. Denn der Raupenpilz hat den Ruf, menschliche Vitalfunktionen zu Höchstleistungen zu treiben und freie Radikale zu neutralisieren (womit nicht die Linkspartei gemeint ist). Da sich seine segensreiche Wirkung auch und gerade auf den sexuellen Bereich erstreckt, trägt der Pilz außer seinem reputierlichen wissenschaftlichen Namen Cordyceps sinensis zudem das bezeichnende Etikett "Himalaja-Viagra". Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, über ein pralles Leben im chinesischen Olympiadorf zu spekulieren.

Die Raupenmumie ist in China zu einem Statussymbol mutiert und steht, vor allem bei älteren Herren, hoch im Kurs. Für ein Kilo muss man leicht 25 000 Euro hinblättern. In Tibet, wo er vorkommt, heißt der Pilz Jartsa Gunbu, "Sommergras-Winterwurm"; die Chinesen, die gern alles ganz anders machen als die Tibeter, nennen ihn trotzig Dongchong Xiacao - "Winterwurm-Sommergras". Zur Erntezeit im Frühsommer kriechen Zehntausende Tibeter über karge Hochtäler in einer Höhenlage, in der ein Hanseat schon mal nach Sauerstoffflaschen fragt, und buddeln alles um, bis es dort so aussieht wie ein Braunkohletagebau im Osten.

Vielleicht muss der vergleichsweise medaillenarme deutsche Sport ja doch nicht von Grund auf saniert werden. Vielleicht reicht schon eine Einkaufsfahrt nach Tibet.