Voller Superlative: die Geschichte eines Starjournalisten, der vorgab, in der Küche des Verfassungsgerichtspräsidenten gewesen zu sein.

Jetzt, wo es heraus ist, jetzt also, wo alle Welt weiß, dass Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung" und Vorzeigejurist des Blattes, nicht mal als, wie soll ich es oder ihn ausdrücken, "Mitesser" beim Bundesverfassungsgerichtspräsidenten in der Küche beim Köcheln, Schnipseln und Rühren dabei war, las ich seinen Artikel mit anderen Augen. "Vor Tische las man's anders", heißt es im "Wallenstein". Ich ließ mir also sein hymnisches Porträt auf der Zunge zergehen und stellte fest, dass es inzwischen einen üblen Nachgeschmack hat. Einen "Haut goût". Es ist überwürzt mit Superlativen. "Andreas Voßkuhle leitet das berühmteste Gericht der Welt."

Ein "Deutschland über alles"-Superlativ? Wo bleibt der Supreme Court zum Beispiel? Kommt schon, im Text: Er leitet das "neben dem Supreme Court mächtigste Gericht der Welt". Wow! Und ist, das folgt daraus, "der wahrscheinlich mächtigste Mann Deutschlands". Mannomann, wie gut, dass wir auch eine Merkel haben.

"Wahrscheinlich mächtigste" ist so ein Superlativ, der sich selber auffrisst. Bei mir um die Ecke in Eppendorf gibt es eine Eisdiele, die mit dem Slogan wirbt, handgemalt: "das vielleicht beste Eis des Universums!". Das "vielleicht" ist pure falsche Bescheidenheit. Wie das "wahrscheinlich". Oder wie der Schriftsteller Zwerenz über seinen Kollegen urteilte: "Martin Walser ist der größte lebende Dramatiker unter den Romanautoren aus Wasserburg am Bodensee." Na also, Diminuendo, geht doch!

Da Prantl den mächtigsten Mann des vielleicht berühmtesten Gerichts der Welt (oder war es umgekehrt? Egal) hymnisch feiert, möchte er auch bei ihm zu Tisch kommen dürfen, notfalls auch über die kalte Küche, und sei's zum Zwiebelschneiden. Persönlich. Vom Zuhören, vom Gesagten ist noch keiner satt geworden. Also schreibt er, und da gibt's kein Vertun: "Man muss ihn am Küchentisch erleben. Man muss erleben, wie er ein großes Essen vorbereitet!" Schwarz auf weiß ein Muss-Erlebnis, das hier geschildert wird, kein Botenbericht. Keine Mauerschau. In dem nachgeschmeckten, nachgelebten Essen gibt es ein einziges Diminutiv. Wie heißt es so schön? Das Diminutiv ist der Feind des Superlativs.

Es gibt bei Voßkuhle ein "Arbeitsweinchen" zum Arbeitsessen. "Weinchen" ist gut. Das Diminutiv als heimlicher Säufer-Superlativ. Als Verharmlosung, als Euphemismus. Wie das "Bierchen"! Wie "Trinken wir noch ein Tröpfchen!" Wie der "wönzöge Schlock" aus der "Feuerzangenbowle", das Schlückchen. Wie die Aufforderung: "Komm, mein Schatz, wir trinken ein Likörchen, und dann flüster ich dir leise was ins Öhrchen!" Vielleicht die Geschichte vom Süppchen, das sich Prantl selbst eingebrockt hat und er selber auslöffeln muss. In Wien nennt man das das Arbeitsessen eines Adabeis.