Es ist der Ohrwurm. Spanische Wissenschaftler behaupten: Musik wird immer lauter und schlechter

Selbst in einer voll besetzten Hamburger S-Bahn ist das Lauteste meist die U-Musik aus dem Kopfhörer des Sitznachbarn. Wer den Seufzer "Das war früher leiser!" für falsch verstandene Nostalgie hält, kennt (noch) nicht den wissenschaftlichen Beleg für diese These. Popmusik wird immer lauter - das hat der auf künstliche Intelligenz spezialisierte spanische Wissenschaftler Joan Serra gut vernehmlich jetzt in einem Online-Wissenschaftsmagazin ("Scientific Reports") verkündet.

Er und sein Team vom Nationalen Forschungsrat analysierten Titel der Jahre 1955 bis 2010, Pop und Rock, Hip-Hop und Metal, wobei der Terminus der letztgenannten Stilrichtung schon an Hochfrequenzgeräusche erinnert, wie sie - nur als Beispiel - S-Bahn-Räder auf nicht optimal angepassten Schienen erzeugen. Haben sich moderne Musiker hier inspirieren lassen?

Zurück in die Niederungen spanischer Forschungsmühen, die sich außer Dezibeln auch den Akkorden, Melodien und der Klangfarbe mittels Computer widmeten und mit einem weiteren Ergebnis schocken: Moderne U-Musik wird immer schlechter. Jenseits von Geschmacksgrenzen fanden die Experten eine "Schablonenhaftigkeit bei der Entwicklung und Produktion zeitgenössischer westlicher populärer Musik". Die Vielfalt an Akkorden und Melodien sei beständig zurückgegangen. Dank der Erkenntnis sah sich der Studienleiter zu einer Empfehlung imstande, wie man ein altes Lied aufmöbeln könne: die meistverbreiteten Akkorde nutzen und alles lauter aufnehmen.

Wer das umsetzen will, sei gewarnt. Denn eine Musikstudie der Freien Universität Berlin kam kürzlich zu einem anderen Resultat. Die Pop-Hits der letzten 50 Jahre seien beständig trauriger geworden - und vielschichtiger! Die Zahl der Songs mit melancholischem Moll habe sich verdoppelt; Sänger von heute deckten ein breiteres Gefühlsspektrum ab als frühere Interpreten.

Musik vereint? Nicht die Forscher! Um rauszuhören, was wirklich stimmt, müssen wir wohl in der S-Bahn noch angestrengter horchen.