Pfingsten gestern, heute, morgen - Goethes Fabel, Honeckers Lied und ein Satz über Pythagoras

Tief im letzten Jahrtausend las ich zur schönsten Maienzeit, weil ich deutsche Literatur studierte, Goethes Versepos "Reineke Fuchs", dessen "Erster Gesang" so anhebt: "Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! Es grünten und blühten / Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken / Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel ..."

Das sind Hexameter, sechsfüßige, in leicht hüpfenden, tänzelnden Daktylen. Goethe hatte sie 1793 Homers "Ilias" und "Odyssee" nachempfunden, die Johann Heinrich Voß mit schulmeisterlicher Akkuratesse und genialem Nachempfinden übersetzt hatte. Die Geschichte war eine Tierfabel, wie sie in der Antike der Grieche Äsop schrieb, mit einem Löwen als König, einem Schaf als tumbem Opfer, dem Wolf als Gierschlund und dem listigen, hinterlistigen Fuchs, eine Satire auf Duodez-Gesellschaft und intrigante Politik.

Damals, als die neuen Bundesländer im Westen noch "Zone" hießen, sang die FDJ unter Erich Honecker, der ein blaues Hemd, ein Pioniertuch um den Hals und kurze Hosen trug: "Was machen wir zu Pfingsten, wenn die Wiesenblumen blühn? / Da fahrn wir nach Karl-Marx-Stadt über Autobahn und Schien." In Chemnitz, das damals schon und noch nach Marx, den es als großen Kopf beherbergt, hieß, fanden die kommunistischen Arbeiter- und Jugendfestspiele statt, mit Klampfe und Chor unter Picassos Friedenstaube.

Tempi passati, es war einmal! Diesmal bin ich vor den Eisheiligen, Kälte und Nässe nach Apulien geflohen, wo ich von ihnen eingeholt wurde, während in Hamburg pfingstliche Wärme einzog. So kann es gehen. Nahe dem Hotel, das sich Francis Coppola, der italo-amerikanische Filmemacher, in seiner einstigen Heimat klein und mit rustikaler Finesse gebaut hat, liegt der große griechische Mathematiker Pythagoras begraben, in zehn Kilometern sieht man das Meer und ahnt Griechenland.

Der Sänger der Stunde und der griechisch-europäischen Wirtschaftsmathematik ist Sarrazin, in der Satire wäre er die große Unke. Und den Fuchs gäbe Facebooks Zuckerberg, der die neueste Börsenblase mit großem Zockergewinn hat platzen lassen. Zu Pfingsten!