Junge Pianistin soll ins Gefängnis - weil sie ihre Nachbarin um die seelische Gesundheit spielte.

Die junge spanische Klavierspielerin Laia Martín soll siebeneinhalb Jahre hinter Gitter, weil sie mit ihren Übungen eine Nachbarin genervt hat. Mehr noch: Schwere psychische Schäden habe sie ihr zugefügt, sagt die Staatsanwaltschaft der Provinz Girona im Nordosten Spaniens - und fordert gleich noch dieselbe Strafe für die Eltern, schließlich hätten diese ihre Tochter unterstützt und ihr 2003 ein Klavier in die Wohnung gestellt. Und auf dem hat die 26-Jährige seitdem mindestens fünf Tage in der Woche von 9 bis 13 und von 14 bis 18 Uhr geübt. Das Ergebnis der Tortur bei der Nachbarin: Schlafstörungen, Irritationen, Ängste, dazu Probleme bei ihrer Schwangerschaft.

Siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Das ist eine harte Forderung. Und es ergeben sich viele Fragen: Was hat die Nachbarin denn während der neun Probenjahre gemacht? Vielleicht mal angeklopft und nett angefragt, ob heute mal nicht in die Tasten gehaut werden könnte? Anscheinend nicht. Und was hat Laia Martín denn die ganze Zeit geübt? Schließlich hat sie - rechnet man wohlwollend nach - mehr als 25 000 Stunden vor dem Klavier gesessen. Das gibt nicht nur Rücken, sondern führt in den meisten Fällen zu einer gewissen Expertise. Vielleicht also war die Musikbegeisterte gar nicht so talentiert und ist nie über Etüden hinausgekommen. Das wäre natürlich in der Tat irritierend: neun Jahre lang Chopin, Liszt oder Debussy zu hören durch die Wohnzimmerwand. Und derweil auf die ruhige Mittagsstunde zu hoffen, die dann doch so schnell vorbeigeht.

Die wichtigste Frage jedoch ist natürlich diese: Wo hätte Laia Martín denn üben sollen, acht Stunden am Tag, so viele Jahre lang? In Deutschland hätte sie wohl in einem umgenutzten Weltkriegsbunker gesessen, mit Schlagzeuglärm und Gitarrengewitter um sie herum. Somit hätte das Urteil, sollte es im Sinne des Staatsanwalts gesprochen werden, vielleicht sogar sein Gutes. Dann hätte Laia Martín für siebeneinhalb Jahre einen Raum mit dicken Wänden zur Verfügung. Das wären 21 900 weitere Übungsstunden. Toi, toi, toi.