Französische Küchen-Revolution: Köche sollen angeben, ob ihre Gerichte frisch zubereitet werden.

Soupe de poissons, Coq au Vin und Mousse au chocolat. Schlemmen wie Gott in Frankreich gilt seit jeher als das Maß aller Kulinarik. Das "gastronomische Mahl der Franzosen" ist seit 2010 immaterielles Kulturerbe der Unesco, mithin genauso wertvoll wie ein Heilungstanz in Malawi oder der Tenorgesang der sardischen Schäfer.

Doch nun ist die französische Küche zum Krisenherd geworden. Die Nationalversammlung in Paris hat beschlossen, dass Restaurants künftig auf ihren Speisekarten angeben müssen, ob sie ihre Gerichte frisch zelebrieren oder etwa schnöde mit Fertigprodukten oder tiefgekühltem Material herstellen. Frankreichs Küche, so die Politiker, soll "ehrlich" werden. Soll das heißen, dass bislang die romantische Verführung von der Speisekarte auf dem Teller zu vorgefertigter Pampe mutierte?

Ehrlich rührt am längsten, spotten die Küchenmeister, die lieber die Plastikfolien aufreißen und industriellen Fertigmix erhitzen wollen. Sie behaupten, mit der französischen Küchen-Revolution keine Haute Cuisine zu günstigen Preisen mehr anbieten zu können. Gab es in Paris je günstiges Essen?

Ehrliche Küche heißt: Alles ist hausgemacht und frisch, ohne künstliche Zutaten. Kurz gesagt: "Lecker und bodenständig", wie Fernsehkoch Horst Lichter definiert, der mit dem Zwirbelbart. Die französischen Köche scheinen sich eher an Max Frisch zu halten. Der sagte: Ehrlich macht einsam.

Aber warum sollte die neue Ehrlichkeit nur für Restaurants gelten? Gut, bei Politikern und Bankern haben wir jede Hoffnung aufgegeben. Aber wie wäre es mit ehrlichen Autohäusern, bei denen nicht alles vom Rückspiegel bis zum Reserverad als Zubehör gekauft werden muss? Oder mit ehrlichen Supermärkten, in denen wir nicht die Luft in den Verpackungen mitbezahlen und die frischen Lebensmittel immer ganz hinten im Regal liegen? Oder mit ehrlichen Fußballprofis und Trainern, die nicht schwafeln, dass sie zum HSV (oder jedem anderen Verein) kommen, weil es an der Elbe so schön ist?

In diesem Sinne: Bon appétit!