Wer will schon Wespen auf dem Kuchen? Ehrenrettung einer verkannten Jahreszeit

"Es wird Herbst", sagt die Verkäuferin am Käsestand auf dem Isemarkt. Wie kommt sie nur darauf? Wegen der reifen Kastanien, die regelmäßig mit einem satten "Plopp" hinter ihr aufs Straßenpflaster platzen? Vergangene Woche, als die Sonne noch schien und die Temperaturen den verpatzten Sommer nachholen wollten, als hätten sie ein schlechtes Gewissen, dachte man dabei höchstens an die Dellen, die das auf den Dächern unvorsichtig geparkter Autos verursacht.

"Es wird Herbst", sagt der Briefträger und zieht seine Regenjacke fester um die Schultern. Eigentlich ist es fast noch zu warm dafür, aber die Wolken drohen seit Tagen mit Schauern, erste Sturmböen wirbeln braune Blätter um die Ecken. Auch wenn die vielen grünen oben auf den Bäumen noch nicht ahnen, dass sie bald mittanzen werden.

"Es wird Herbst", sagt die Kollegin und ärgert sich über das Neonlicht, das schon zur Mittagszeit Bürostunden aufhellen muss. Und abends, als man vor zwei Wochen noch schnell mal mit dem Kind zum Spielplatz gegangen ist, wird es so früh dunkel, dass das nach einem langen Bürotag kaum noch Sinn macht. Zum Ausgleich darf man nachdenken über eine Antwort auf die Kinderfrage: "Wann kommt denn jetzt Weihnachten?" Nach vorn denken - das ist die richtige Einstellung!

Endlich Herbst! Endlich Schluss mit heißhungrigen Wespenattacken auf den Zwetschgenkuchen am Balkontisch. Die Stechmücken haben ausgesaugt, das bisschen Restlaub schaffen wir auch noch. Die Kübelpflanzen draußen werden wieder von oben ganz gewässert, statt Fahrradtouren am Sonntag gibt's ruhige Lesestunden auf der Couch, die ersten Kerzen werden hervorgekramt, die Außentemperatur passt wieder zu den gemäßigten Breiten, in denen wir angeblich wohnen, der Kaminofen wird auf Einsatzbereitschaft getestet.

Selbst der Regen lässt sich aushalten - von drinnen betrachtet. Erinnerungen an Bratapfelduft regen sich, an Quittengelee und frische Walnüsse. Es wird Herbst - na endlich!