Ein Knigge-Ratgeber für Regentage. Von kleinen Männern, großen Frauen und dem Haken dabei

Als der englische Gentleman Jonas Hanway Ende des 18. Jahrhunderts erstmals seinen "Umbrella" aus Holz und Leinwand ausführte, musste er noch fünf Kilo mit sich herumschleppen. Allein den gewaltigen Regenschirm zu öffnen, falls es wieder mal Bindfäden regnete oder ein frecher Kutscher gnadenlos durch Londons Pfützen bretterte, war Leistungssport. Da ließ der Schirm-Herr die Damen schon mal im Regen stehen.

Die Zeiten haben sich geändert. Heute wuchtet Angela Merkel ganze (Euro-)Rettungsschirme. Männer und Frauen sind, was den Regenschutz betrifft, gleichberechtigt, befand der Deutsche Knigge-Rat in Bonn. Danach müssen sich emanzipierte Kolleginnen nicht mehr von ihren Begleitern beschirmen lassen. Im Gegenteil. "Wenn die Frau 1,80 Meter und der Mann 1,68 Meter groß ist, ist es praktischer, wenn sie den Schirm hält", sagt Knigge-Expertin Agnes Jarosch.

Aber so ein schöner Sommerregen schafft auch Nähe. So dürfen Männer ihre Begleiterin im Regen-Fall nassforsch unter ihren Schirm bitten. Der Dame wiederum ist die Frage erlaubt: "Darf ich mich bei Ihnen einhaken?" Wenn zwei sich einen Schirm teilen, werden eben beide nass. Die Benimmregeln sagen auch, dass man den Schirm möglichst nicht als Waffe einsetzen sollte. Bei Open-Air-Veranstaltungen (klar: Der Himmel öffnet seine Schleusen), auf engen Fußwegen oder im Gedränge öffentlicher Verkehrsmittel sollte der Regenschutz weder aufgespannt noch geschüttelt werden.

Der bizarre Fernsehauftritt des libyschen Ex-Diktators Gaddafi, der mit einem weißen Regenschirm herumfuchtelte, ist durch den Knigge allerdings ebenso wenig abgedeckt wie Spitzwegs armer Poet, der sich im Bett seiner Dachstube vorm Regen schützte.

25 Millionen Schirme werden jedes Jahr in Deutschland verkauft, im Schmuddelsommer 2011 eher mehr. Aber es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Schirme. Die Zeugen der Unwetter landen in Abfallbehältern - als Skelette mit spitzen Spießen.