Viele Metropolen-Vögel singen lauter, schneller und zu anderen Zeiten als ihre Artgenossen vom Land.
Selbst in den Tagen von Romeo und Julia, als sich der Straßenverkehr noch auf das Klappern von Pferdehufen beschränkte, gab es offenbar schon gravierende Probleme der ornithologischen Zuordnung per Gezwitscher. (Julia: Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang. Romeo: Es war die Lerche, die Tagverkünderin.) Nun aber, da viele Städter nur durch Dreifachverglasung am sofortigen Ertauben gehindert werden, ist dies ungleich schwieriger. Heute würde Julia wohl säuseln: Es war der Nachtbus und nicht die Müllabfuhr.
Besonders problematisch im Paarungsverhalten ist der Lärm aber für die gefiederten Freunde selber, wie Feldstudien mehrerer europäischer Universitäten ergaben. So sind Kohlmeisen - deren englischer Artname Great Tits lautet, ein Begriff, der sonst eher aus anderen Paarungsritualen bekannt ist - im Balzverhalten gezwungen, höher, schneller und rüder zu singen, um im Verkehrslärm überhaupt noch gehört und womöglich erhört zu werden. Nur noch diese Dieter-Bohlen-Druckbeschallung lockt Meisenweibchen aus der Reserve. Denn das Straßengebrumm schluckt jene niedrigeren Frequenzen, mit denen der Meisenmann auf dem flachen Land bei den Mädels punktet. Das eine oder andere städtische Rotkehlchen hat aus diesem Grund sein Liebeswerben schon in die Nachtstunden verlegt. Dann wird zwar weniger Auto gefahren, allerdings pennen auch schon viele Rotkehlchendamen.
Nachtigallenkerle in der Innenstadt krakeelen inzwischen mit fünffach erhöhtem Schalldruck; Girlitze aus der bekannten Unterfamilie der Stieglitzartigen machen umso länger auf sich aufmerksam, je lauter es rundherum ist. Das finden nicht nur die Weibchen klasse, sondern auch ihre Fressfeinde. Doch alle piepende Liebesmüh ist vergeblich bei akustischen GAUs wie etwa den Harley Days.
Man kann also bilanzieren: Straßenlärm schafft mehr Schreihälse, aber weniger Babys. Dieses betrübliche Vogelfazit ist mühelos auch auf uns Menschen übertragbar.