Ganz Hamburg sah nichts. Ganz Hamburg? Nein. Im Osten war alles anders. Und in der digitalen Welt.

Hamburg. Die Blutrünstigen unter den Mondsüchtigen machen lange Gesichter. Der Blutmond verschleiert sein Gesicht mit dicken Wolken. Das kräftige Rot am Himmel, das entsteht, wenn der Trabi im Sonnenschatten der Erde dahintöfft, geht verloren in einem unfreundlichen Grau. Nur in Billstedt, berichtet ein Radio-Hamburg-Hörer, blinzelt der Mond durch ein Wolkenloch und macht den Stadtteil zum Rotlichtbezirk.

Hat sich der Mond kugelig gelacht wie einst der Mond von Wanne-Eickel? 100 Minuten lang spielt er mit den Hamburgern Verstecken. Der Mond errötet gern, wenn er kommt und wieder geht. Er ist eben wie ein Mensch, mal nimmt er ab, mal nimmt er zu. Doch nehmen wir dann Notiz von ihm? Nein, aber wenn er ohnehin nicht zu sehen ist, dann vermissen wir ihn. Das ist allzu menschlich.

Verzweifelte Beobachter rund um die Alster fragen per Handy: Wo ist er? Über Smartphones klappern viele das Internet nach Informationen ab und genießen den Mond virtuell. Auch www.abendblatt.de wird so oft geklickt wie nur einmal zuvor. Dem Himmel sei Dank haben die Hans Guckindielufts dieser Welt irgendwo den roten Ball erspäht. Und fotografiert. So kann der Hamburger schließlich dem Spektakel höherer Sphären in der Digitalwelt doch noch beiwohnen. Was für ein Phänomen: Wirklichkeit, die nicht zu sehen ist, suchen Menschen, indem sie Bilder des Ereignisses mit einem technischen Gerät abrufen. Das entspricht der Realität im wirklich übertragenen Sinn und schafft eine ganz neue Erlebniswelt.

Eigentlich müsste nun niemand mehr in die Natur hinaus, um sie zu entdecken und zu erleben. Die Vernetzung bringt ja All und alles auf die Netzhaut des Betrachters, während er an seinem Computer sitzt. Sollte er allerdings keinen Empfang haben, so kann es daran liegen, dass er hinter dem Mond lebt.