Erst auf allen vieren, später auf zweien, am Ende auf dreien. Nicht nur der Mensch in Meck-Pomm wird immer älter

Früher, als ich noch jung war, delektierte ich mich am Geraunze des altersgriesgrämigen Karl Valentin, der zu einem jungen Lehrling sagt, gespielt von Liesl Karlstadt: "Schämen Sie sich, dass Sie so jung san, ich war auch einmal jung, vielleicht sogar jünger als Sie."

Als ich jung war, vielleicht sogar jünger als Sie, hatte ich eine Schulfibel, in der das Rätsel stand: "Was ist das für ein Tier? Es geht anfangs auf allen vieren, später auf zweien und endlich auf dreien?" Stellte man die Fibel auf den Kopf, stand da als Lösung: "Der Mensch."

Dies ist mir wieder eingefallen, als ich in einem Artikel las, dass Mecklenburg, das einst das Bundesland mit den jüngsten Deutschen war, nämlich noch vor 20 Jahren, inzwischen das mit den ältesten Deutschen ist. Damit verbunden: der Bevölkerungsschwund; 71 Einwohner leben auf einem Quadratkilometer, so viel Landschaft für den Einzelnen war nie. Abgebildet zu dem "FAZ"-Artikel war ein Piktogramm eines Mannes (aktuell und nicht geschlechtsspezifisch müsste man sagen: eines Wesens im Hosenanzug), der (das) buchstäblich und wortwörtlich am Stock ging. Ein Zeichen für eine fehlende Mobilität in einem Land, das Anrufbusse für Alte einsetzt, damit sie gesellig bleiben können.

Ach, was habe ich im Laufe eines Lebens schon alles an Ampelmännchen und Piktogrammen erlebt! Erst verschwanden die "Bösen Onkelz" in Parkanlagen, die ein Kind an der Hand führten, dann siegte der Osten nach der Wiedervereinigung für ein eigenständiges Ampelmännchen mit Hut - neben dem grünen Pfeil für Rechtsabbieger bei Rot und der Bezeichnung "Broiler" für das Brathähnchen das letzte Symbol der DDR-Eigenständigkeit. Schließlich verloren die Piktogramme ihr Geschlecht. Altersbedingt. Quotengerecht.

Jetzt also das Meck-Pomm-Männchen am Stock. Dabei ist es längst veraltet. Niemand geht mehr am Stock. Da sei der Rollator vor. Mein Leben war ein ständiger Kampf gegen die Aufgabe der Zweibeinigkeit. Einmal vor 30 Jahren schlief ich in Dortmund in einem Bahnhofshotel und sah auf einmal erschrocken, dass alte Leute ihren Koffer hinter sich herzogen. Auf Rädern. Inzwischen habe ich mir sogar einen Einkaufswagen gekauft, den "Hackenporsche", "Seniorentrolley", den "Anton, bleib hinter mir!"

"Der Fortschritt macht nirgends halt", seufzte neulich eine Altersgenossin, "früher sagte der Arzt, wenn ich zu ihm kam, 'machen Sie sich oben frei', heute sagt er nur noch: 'Strecken Sie die Zunge raus.'"

Das liegt aber an der Verfeinerung der Diagnostik.