In Berlin feierte die Berlinale ihre Eröffnung mit einem Western, einer Kinogattung, die in den letzten 50 Jahren schon hundertmal für tot erklärt wurde und ebenso oft wieder auferstanden ist: "True Grit" von den Coen-Brüdern ist eine Pferdeoper von altem Schrot und Korn, eine Orgie der Rache, mit allen Klischees vom Wilden Westen, vom harten Marshal, der öfter einen Menschen erschießt, als er sich wäscht, kämmt oder die Socken wechselt. Kurz, Auge-um-Auge-Gerechtigkeit geht vor Hygiene, obwohl der von Jeff Bridges gespielte Marshal Rooster Cogburn nur über ein Auge im Film verfügt. Vor dem anderen war die Klappe zu.

Neu an diesem Western ist, dass der eigentliche Held und härteste Knochen in diesem "Schieß, bevor du nachdenkst"-Film ein 14-jähriges Mädchen ist, das seinen Vater rächen will, der von einem hinterlistigen Gauner wegen zweier Goldstücke ermordet wurde. Sie bezwingt und becirct zwei whiskeygetränkte Pistoleros mit der Ausdauer eines strikten Gerechtigkeitsgefühls. Sie kann alles besser als die Gesetzeshelden der Prärie, sie ist härter im Nehmen, härter im Austeilen. Und wie sie das Geld zusammenkratzt, das sie für das Mieten des Marshals beim Rachefeldzug braucht, zeigt sie als naseweises 14-jähriges Balg, das Männer auf ihrem ureigensten Weg, dem Kriegspfad des Faustrechts, um Längen schlägt.

Am Schluss ist der Mörder des Vaters tot, Daddy ist gerächt - aber um welchen Preis! Papas Liebling hat dabei einen Arm den Schlangen zum Fraß vorwerfen müssen, und 25 Jahre später gesteht sie, dass sich in ihrem Leben nach diesem Rachefeldzug nix mehr abgespielt hat. Kein Mann, keine Küche, keine Kinder, kein Glück, nur die Suche nach dem alten verkrachten Marshal, der ihr geholfen hat. Der Lateiner würde sagen (und das Mädchen, gespielt von Hailee Steinfeld, kann sein Juristenlatein) "fiat iustitia, pereat mundus". Gerechtigkeit soll geschehen, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht. "Gorch Fock"-Manier eben.

Auf der Berlinale, wo man das arg rustikale Western-Leben in bequemen Sesseln erlebte, kein Problem. Die Film-Leute nährten sich nicht von Bohnen und Mais aus dreckigen Blechbüchsen, sondern kamen vom Wiener Schnitzel, wie die Coen-Brüder gestanden, zum Beifall zurück.

Und das taffe Mädchen vom Film freute sich wie ein Teenager über einen geschenkten Teddybären. Goldig! War ja nur ein Film, war ja nur ein Western. Und der hat seine eigenen Gesetze, ganz wie das richtige Leben und ganz anders. Was mit Eltern passiert, die ihre Waffen nicht vor Minderjährigen verschließen, zeigte am gleichen Tag das Urteil von Winnenden. Ohne Waffenschein ballern darf man nur im Wilden Westen.