Die Wahl des kuriosesten Buchtitels in Frankfurt aus Sicht eines Betroffenen. Oder: der Tod auf der Schippe.

"Don't judge a book by its cover" - Man soll ein Buch nicht nach seinem Äußeren beurteilen.

Ein frommer Vorsatz, aber wonach denn sonst? Hat noch jemand die Zeit, Bücher zu lesen? Wer den Klappentext kennt, reißt bereits die Klappe auf und empfiehlt anderen, ein Buch nicht zu lesen, was er oder sie selber ja auch schon nicht tat. Wenig hilfreich.

Abends an der Bar vom Frankfurter Hof, wo Autoren und Kritiker ab drei Promille wieder Freunde werden, wird auch zugegeben, dass man ein Buch maßgeblich deshalb doof finden musste, weil es jemand mochte, den man nicht mochte. Gelesen hatten es beide nicht. Daher ist der konsequenteste Buchpreis der ganzen Messe in meinen Augen die Wahl des kuriosesten Buchtitels, weil erst gar nicht so getan wird, als ginge es um Inhalte.

Die Engländer haben es vorgemacht. Dort ist der "Diagram Prize for Oddest Book Title" seit über 30 Jahren eine nationale Institution. Ein Gewinnertitel: "Menschen, die nicht wissen, dass sie tot sind". Die Frankfurter Buchmesse ist voller lebender Beispiele für diese Phänomene. Die Engländer lieben unfreiwillige Komik: "Der Ausblick 2009-2014 für den Weltmarkt für 60-Milligramm-Verpackungen für Frischkäse". Aber die Deutschen holen auf. Langsam.

Als vor drei Jahren das erste Mal hierzulande der Preis verliehen wurden, musste ich als Moderator der Veranstaltung erleben, wie bis zum Ende der Zeremonie dem Autor selbst das Subversive seines Titels verborgen blieb und er nicht verstand, was andere komisch finden konnten: "Begegnung mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer". Sicher ein ernstes Thema, wie auch "Natürliche Brustvergrößerung durch die Kraft der Gedanken". Geht auch Handauflegen?

Ebenfalls praktisch: "Häkelabenteuer mit hyperbolischen Flugzeugen". Für alle, die ihre Flugangst kreativ verarbeiten wollen. Bestechend in seiner Klarheit: "Geld macht reich". Andere Titel erzeugen ganze Filme im Kopf: "Herrenlose Einkaufswagen im Nordosten Amerikas: Identifikation und Einordnung in freier Wildbahn". Meine Mitjuroren Luzia Braun und Bodo Mrozek mochten auch sehr: "An dem Tag, als ich meine Friseuse küsste, sind viele Vögel gestorben". Der Autor Josef Kleindienst war sogar in Begleitung eines Gorillas erschienen.

Gewonnen hat dennoch Hallgrímur Helgason mit "Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen". Ein Selbsthilfebuch wahrscheinlich. Der Verlag nahm dankend die Urkunde und eine Flasche Spülmittel entgegen. Pistolen, Pazifismus und Prilblume waren sich noch nie so nah.