Lässt du dich pixeln? Die Vermessung des Vorgartens durch das Auto mit dem Zyklopenauge auf dem Dach.

"Ich weiß, wo dein Haus wohnt!" Einst Verballhornung multikultureller Drohgebärde, jetzt elektronischer Ernst. Und die große Frage: "Lässt du dich pixeln?"

Sich durch Unschärfe unkenntlich zu machen ist so naiv wie ein Kind, das sich eine Papiertüte über den Kopf zieht und meint, jetzt könne es keiner mehr sehen. Aber vorher wäre doch zu klären: Wer hat was von diesem Street View? "Jetzt kann ich schauen, wo ein Hotel liegt!" Wer würde denn etwas ohne eigene Homepage buchen? Und ob sich die "ruhige Lage" direkt neben der Autobahn befindet, weiß auch Google Earth oder das Navi. Ich habe nichts gegen technischen Fortschritt, aber für wen? Das nächste Argument: "Jetzt kann ich schauen, in was für einem Haus meine Freunde wohnen!" Moment mal, wenn es deine Freunde sind, warum warst du nie dort? Können sie kein Foto mailen? Und wenn sie erst Freunde werden sollen, was bist du für ein Schmock, das nicht am Wesen, sondern am Anwesen festzumachen?

Die einzig echt Interessierten: Immobilienhaie, Attentäter und Einbrecher. Und denen erleichtert man die Suche nach einem spannenden Haus am meisten, indem man es pixeln lässt: Da kommen sie garantiert bald vorbei.

Wenn schon Gesetzesänderung, warum nicht so: Wenn einer in der Straße sich pixeln lassen will, dann gleich die ganze Straße. Was bisher Popstars und Fernsehmoderatorinnen vorbehalten war, kann jetzt jeder nachempfinden: das höchst unangenehme Gefühl, ständig beobachtet zu werden. Und das jetzt auch von denen, die bisher zu dumm, feige oder faul waren, vor dem richtigen Haus rumzustehen. Cyber-Stalking.

Google verscherzt sich gerade die mit Kreativität aufgebaute Sympathie. Wie der Onkel aus Amerika, der beim Familienfest die neueste Kamera dabeihat. Anfangs lächelt man noch, wenn er erklärt, was man alles damit machen kann; irgendwann nervt sein ständiges Fotografieren, und dann wird er auch noch erwischt, wie er unterm Tisch filmt. Aber man kann ihn nicht rauswerfen, weil man verbandelt ist. Früher konnte man bei unerwünschten Fotos dramatisch den Film herausziehen, denn weder üble Absichten noch unentwickeltes Filmmaterial vertragen es, ans Licht zu kommen.

Heute bleibt vieles im Dunkeln, in Datenwolken im rechtsstaatlichen Niemandsland. Die Server lagern dort, wo einige aus den gepixelten Häusern auch ihre Briefkästen haben, aus den gleichen Gründen. Wie dabei nicht den Humor verlieren?

Der überzeugendste Bericht gelang neidlos investigativen Kollegen aus dem Rheinland. Menschen, die gegen die Datenerhebung ihres Hauses protestierten, kamen ausführlich in der Zeitung und online zu Wort. Daneben ein Foto von ihnen - vor ihrem Haus.