Die Revolution des Briefverkehrs: Wo klebt man bei der E-Post die Briefmarke hin, auf den Monitor?

Die traurigsten Geschäfte in Bahnhofsnähe sind die für Briefmarken- und Münzsammler. Oft vergitterte Fenster, meist geschlossen, und wenn geöffnet ist, habe ich noch nie einen Kunden darin sich verirren sehen. Philatelisten und Numismatiker gehören auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten, weil ihnen der Nachwuchs fehlt. Und auch der Reiz "mit hochkommen, um die Briefmarkensammlung zu zeigen", taugt nicht mehr dazu, langfristig für eine neue Generation zu sorgen. Das Internet hat die Modalitäten von Brief-, Zahlungs- und Geschlechtsverkehr revolutioniert.

Und keine 15 Jahre später merkt es auch die Post. Und damit alle merken, dass die Post es gemerkt hat, gibt es ganzseitige Anzeigen, wo man nicht weiß: Geht es um einen virtuellen Briefträger, den man vor herumfliegenden Einkaufswagen schützen muss, wenn man auf "games" drückt, oder kann man, wenn man sehr lange auf eine Briefsendung wartet, jetzt im "second life" weiterwarten? Es ist ein Gewinnspiel, fragt sich nur, für wen.

Soweit ich verstanden habe, will die Post E-Mails verschicken, die aber nicht E-Mail heißen dürfen, sonst kommen Menschen womöglich ins Grübeln, warum man dafür 55 Cent zahlen soll. Also heißt das E-Post-Brief, wobei E-Mail ja eigentlich auch nichts weiter heißt als elektronische Post. Wer keinen Computer hat, bekommt die E-Mail ausgedruckt als "Hybrid-Brief" und fragt sich jetzt schon, brauche ich dafür einen Hybridpostkasten?

Aber möchte ich mit Max Muster "sichere" E-Mails austauschen? Sind Briefe mit Empfangsbestätigung nicht genau die, die eh keiner haben will? Behördenkram, Mahnungen, Versicherungsärger? Werden mehr Schwerkriminelle vor Gericht erscheinen, wenn man die Vorladung runterladen kann? Was wird aus den schönen Ausreden von "Der Scheck ist in der Post" bis "Muss der Hund gefressen haben"?

Ich habe immer noch Liebesbriefe von früher, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die nächste Generation sich in einem alten Koffer einen USB-Stick mit den schönsten SMS bewahrt. Ein elektronischer Liebesbrief ist so überzeugend, wie jemandem ein Foto von einer Pizza zu mailen und zu sagen, wenn er Hunger hat, kann er sie sich ja ausdrucken. Die Post kämpft um ihr Image: warum nicht eine E-Mail, die man am Donnerstag sendet, einfach mal erst am Dienstag ausliefern. Oder eine elektronische Postkarte, auf der steht, dass das Datenpaket bei der Filiale abgeholt werden muss, aber nicht heute. Nur mit Personalausweis. Und spätestens in sieben Tagen, sonst ist alles wieder weg. Darum jetzt die E-Post-Adresse sichern! Wozu? Postgeheimnis!