Bürgernähe der Politik kommt nur ohne die Geheimsprache der Juristen zustande.

Als noch in Bonn regiert wurde, da nannte man uns, die Regierten, "die Menschen draußen im Lande", weil wir ja in der Tat nicht in diesem "Raumschiff Bonn" lebten. Seit in Berlin regiert wird, sind wir offenbar nicht mehr "die Menschen draußen im Lande", und Berlin ist ja alles mögliche, nur kein "Raumschiff". Die Kanzlerin Merkel lässt das "draußen im Lande" gern weg und spricht von "den Menschen" schlechthin - als redete sie von einer anderen Spezies.

Aber für die meisten Politiker in Berlin sind wir jetzt einfach "die Bürger". Und so ist das Wort "Bürgernähe" in Mode gekommen. Was aber ist und wie erreicht man Bürgernähe?

Beobachtet man die einschlägigen Bemühungen, so fällt auf, dass viele Politiker sich eine Art Tarnkappe aufsetzen, unter der genau dieser Umstand, dass sie Politiker sind, verschwinden soll. Diese Tendenz hat noch zugenommen, seit Joachim Gaucks unverhoffte Popularität immer wieder mit seiner vermeintlichen Politikferne erklärt worden ist. Jedenfalls verändern die Politiker ihre Rhetorik und sprechen vom Brückenbauen und vom Zusammenführen. Oder sie greifen zu oft erprobten populären Gesten, zeigen eigene Kinder vor und nehmen fremde Babys auf den Arm. Oder sie dirigieren, wenn sie dazu Gelegenheit haben, die Blaskapelle im Bierzelt und sorgen auch sonst nach Kräften für die Bespaßung der Bürger.

Bespaßung? Doch, das Wort gibt es. Ich habe es selbst gelesen, in einem Bericht, demzufolge die Meeresschutzexpertin des BUND, Nadja Ziebarth aus Bremen, darüber klagt, dass an der niedersächsischen Küste nicht nur Hotels und Appartementblocks entstehen, sondern "dazu Einrichtungen zur Bespaßung der Urlauber". Mit dieser Wortwahl werden wir uns wohl abfinden müssen. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, die den Zuruf "Viel Spaß!" zu ihrem kategorischen Imperativ erhoben hat.

Mehr als die "Bespaßung" könnte zur Bürgernähe beitragen, wenn die Politiker damit aufhören würden, das, was sie tun, in einer Sprache auszudrücken, die für den betroffenen Bürger ungefähr so verständlich ist wie ein Brief vom Anwalt oder eine Benachrichtigung des Finanzamts. Dass so viele Politiker auch Juristen sind, muss ja nicht heißen, dass sie auch deren Geheimsprache übernehmen.

Jetzt sagt sogar Frau Merkel, die Probleme ihrer Regierung kämen auch daher, dass die Parteibasis in vielen Punkten gar nicht mehr wisse, was Partei und Koalition warum beschlossen hätten. Vielleicht hat "die Basis" wieder mal nichts verstanden.