Wer schießt wohin? Warum beim Elfmeter gut aussehen wichtiger ist als verwandeln.

Elfmeter! Einer versucht den Ball ins Tor zu dreschen, einer versucht genau das zu verhindern. Der Psychologe Michael Bar-Eli fragte sich, warum bei so klarer Motivationslage alle Beteiligten so wenig dazulernen, sondern sich weiter sehr irrational verhalten. Sein Forscherteam analysierte 286 Elfmetertore - in ihrer Arbeitszeit, wie ich vermute. Die Spieler, die das obere Drittel des Tores trafen, verwandelten zu 100 Prozent. Aber nur 13 Prozent der Schüsse gingen dahin, warum? Ein flacher Ball wird eher gehalten, ein hoher geht leicht zu hoch. Es ist weniger peinlich, wenn der Torwart hält, als wenn ein Schuss über die Latte geht. Den Schützen ist es wichtiger, gut auszusehen, als mit höherem Risiko des Gesichtsverlustes deutlich öfter zu treffen.

Was wäre die beste Strategie für den Torwart? Wir lieben es ja tierisch, wenn er katzenartig in eine Ecke hechtet. Das ist dramatisch und leider völlig unsinnig. Statistisch würde er mehr Bälle halten, wenn er einfach in der Mitte stehen bliebe. Gut, bei einem Schuss in eine obere Ecke hätte er keine Chance mehr. Aber die hätte er eh nicht gehabt. Warum macht es keiner? Weil es uncool aussieht. Ähnlich wie die Bauchentscheidung des Schützen, den Ball flach zu halten, ist die Bauchlandung des Keepers nicht sportlich, sondern nur menschlich zu verstehen: Ein Torwart, der aus bestem Wissen stehen bleibt, zieht den Zorn der Mannschaft und des Publikums auf sich. Er wird selber unhaltbar. Ist der Torwart aber in der einen Ecke und der Ball in der anderen, macht ihm niemand einen Vorwurf. 1974 schockierte Johan Neeskens die Fußballwelt, indem er mittig schoss im Vertrauen, dass Sepp Maier in die eine oder die andere Ecke, aber auf keinen Fall in die Mitte "hechten" würde. Ein historischer Treffer.

Durchgesetzt hat sich aber das Aussitzen beziehungsweise Durchstehen von Elfmetern nicht. Vielleicht könnte in der Kabine Frau Merkel mal von ihrem großen Trainer erzählen. Nichtstun sieht selten souverän aus, aber ist im Sinne des Souveräns manchmal besser als Aktionismus. Bin gespannt, wann der erste Torwart blitzschnell einen Rettungsschirm aufspannt und behauptet, dies sei alternativlos.