Freud und Leid beim Strafstoß - von Ronaldo, Schweinsteiger und einem Torwart, der ein König war

Früher gab es die weltweit zu Recht sogenannte "German Angst" als deutsche Grundbefindlichkeit noch nicht.

Dafür gab es 1970 die "Angst des Tormanns beim Elfmeter" von Peter Handke als viel zitierten Buchtitel. Der Roman war groß in Mode und wurde später von Wim Wenders verfilmt. So kamen wir damals beim "Spiegel" im Kulturressort auf die, wie uns schien, großartige Idee, das Buch von dem damals berühmtesten Torwart der Bundesliga rezensieren zu lassen - obwohl in dem Buch, genau genommen, weder ein Torwart noch ein Elfmeter vorkommt. Der Torwart hieß Radenkovic, spielte bei 1860 München, den damaligen "Bayern", und sang den Schlager "Bin i Radi, bin i König". So waren auch seine Honorarforderungen. Er war also als "Spiegel"-Rezensent nicht zu bezahlen, aber schrieb uns einen Brief voll Fußball-philosophischer Tiefe. "Titel 'Angst des Tormanns beim Elfmeter' is totaler Bledsinn. Denn Torwart is der Einzige, der beim Elfmeter keine Angst hat. Hält er, is er Held, hält er nicht, is normal, hat Schütze gut getroffen."

Damals wurde Fußball im Fernsehen noch in Schwarz-Weiß übertragen, und so bekam der Verursacher des Elfmeters, der Foulspieler, die "Arschkarte", die wir bis heute immer noch alle (laut Redensart) gezogen haben, wenn wir Pech hatten. Obwohl die Arschkarte heute im Fernsehen längst als Rote Karte zu erkennen ist. Damals zog der Schiedsrichter für die zwangsläufig farbenblinden Zuschauer die Gelbe Karte aus der Brusttasche, die Rote Karte aus der Gesäßtasche, weshalb ihr dieser Name auf ewig geblieben ist.

Jetzt nach den Champions-League-Krimis der letzten Tage wissen wir wieder, dass nur der Torschütze vor dem Schuss zu Recht die Hosen voll hat. Bei den Halbfinalspielen der Champions League - Barcelona gegen Chelsea und die "Königlichen" in Madrid gegen Bayern - haben die beiden absoluten Fußballgötter, Ronaldo bei Madrid und Messi bei Barca, einen wahren Höllensturz erlebt. Sie verschossen zwei entscheidende Elfer.

In Madrid war am Ende der furchtlose Torwart Neuer der absolute Held. Er hielt im Elfmeter-Schlussgewitter gleich zweimal. Da aber auch zwei Bayern patzten, musste Schweinsteiger zum alles entscheidenden Schuss antreten. Sieg oder Schande! Triumph oder Fluch! Und er, nicht der Torwart, hatte erst Angst und dann Schwein. So hat er seinen Weg zwischen Bangen und Triumph dann der Nation per Mikrofon geschildert: "Auf dem Weg zum Elfmeter habe ich meine Eier kurz verloren. Aber ich habe sie rechtzeitig wiedergefunden." Eigentlich hätte da Beckenbauer statt seinem "Jo, is denn heut' scho Weihnachten?!" "Ja, is denn Ostern noch nicht vorbei?!" rufen müssen.