Die Kanzlerin zwischen Paprika, Kohlrabi, Weißwein und Lauch - ein Schnappschuss aus Berlin.

Angela Merkel kauft selbstständig ein. Das ist die mit Abstand überraschendste Nachricht des vergangenen Wochenendes. Nachdem die Kanzlerin zuletzt im August 2007 ihre Fähigkeiten am Supermarktregal fotogen nachgewiesen hatte, hat sie es am Freitag wieder getan: Noch am Vormittag rettete sie in Brüssel den Euro, schon am Nachmittag erstand die deutsche Regierungschefin in Berlin Waren des täglichen Bedarfs. Ganz allein. Ohne Hilfe von Freunden. In diesen Tagen reicht das bereits, um zum leibhaftigen Anti-Wulff erklärt zu werden.

Festgehalten hat die Szene ein Leserreporter der "Bild"-Zeitung. Sie habe sogar ihre Einkaufstüte selbst getragen, berichtete der Fotograf, der hinter ihr an der Kasse stand. Seine Aufnahme zeigt Angela Merkel im Kreis von Paprika, Kohlrabi, Weißwein, Oliven und Lauch. Solider geht's kaum, zumal die Botschaft fürs Politiker-Karma nicht ungelegen kommt: Vergesst mal kurz Schickimicki! Hier erdet sich jemand in Berlin-Mitte! "Ja, und?", mögen nun einige maulen. "Mach ich dauernd." Denn viele glauben in der Post-Wulff-Ära nicht mehr daran, dass Politiker ganz normal Nahrung kaufen.

Zwar beteuert die Kanzlerin regelmäßig, sie möge Königsberger Klopse ebenso gern wie Grünkohl. Doch ein Großteil der Deutschen sieht Politiker eher in Edelrestaurants in Berlin-Mitte als am eigenen Herd.

Dabei wird vergessen, dass die Bundeskanzlerin nicht nur tolle Dissertationen über den Mechanismus von Zerfallsreaktionen schreiben kann. Sie ist auch Oldenburger Grünkohlkönigin des Jahres 2001. Und so jemand ist immer in der Lage, nicht nur mal schnell den Euro zu retten, sondern auch herkömmliches Supermarktgemüse in den Rang eines Eintopfs aus der Uckermark zu kochen.