Die Qual der Wahl der Worte: Im Ringen um die Macht kämpfen Politiker mit allen Mitteln - und bisweilen auch mit der Sprache

Derzeit wird bei den Republikanern (USA) und in der Republique (Frankreich) um die Macht gerungen; es ist Wahlkampf. Dass die amerikanischen Aspiranten traditionell erheblichen Unterhaltungswert besitzen, ist bekannt. Denken wir nur an die schieß- und schwatzfreudige Sarah Palin, die inbrünstig beteuerte, die Amerikaner seien verpflichtet, ihren nordkoreanischen Verbündeten beizustehen.

Jüngst zeigte Talkmaster Jay Leno - eine Art amerikanischer Harald Schmidt - in seiner Sendung ein Bild vom Goldenen Tempel von Amritsar in Indien und spottete, es handle sich um das bescheidene Sommerhaus des schwerreichen Kandidaten Mitt Romney. Der Republikaner sowie rund 1,2 Milliarden Inder und die indische Regierung reagierten unfroh. Denn der goldene Sikh-Tempel ist ein Heiligtum.

Doch die Franzosen holen auf. Der Herausforderer von Präsident "Sarko", der Sozialist François Hollande, wollte das Volk von Voltaire und Rousseau mächtig mit klassischer Bildung beeindrucken und schmetterte am Ende seiner Rede die "universale Botschaft": "Wie schon der große Shakespeare sagte: 'Sie scheiterten, weil sie nicht mit einem Traum begonnen hatten.'" Shakespeare-Koryphäen suchten sich die Finger wund, aber fanden das Zitat des Meisters nicht. Konnten sie auch nicht: Es stammt von Nicholas Shakespeare, Autor und Buchkritiker beim Londoner "Daily Telegraph". Apropos Frankreich: Dort hatte sich schon Sarkozys schöne Ex-Ministerin Rachida Dati unsterblich gemacht. Im Fernsehen äußerte sie sich zur Börsenspekulation und verwechselte Fellatio mit Inflation. Das Interview wurde zu ihrem bislang größten Erfolg.

Wir Deutschen haben immerhin Guido Westerwelle. Der warb vor der Uno mutig für eine "Zone von Vernichtungswaffen" im Nahen Osten. Er hatte das Wörtchen "frei" unterschlagen.