Von Kurt Beck, Cem Özdemir, dem Fall Wulff und einer ewigen Wahrheit: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen

"Die schärfsten Kritiker der Elche / Waren früher selber welche." Diese umwerfend richtige und lebensweise Einsicht des Autors der Neuen Frankfurter Schule, F. W. Bernstein, trifft von Anfang an und immer mehr ins Herz der Wulff-Affäre.

Wie hatte es einer seiner Amtsvorgänger der Bonner Republik, der wunderbar volksnahe, hemdsärmelige, Skat spielende und hochgebildete Jurist Gustav Heinemann gesagt: "Wenn man mit dem Zeigefinger einer Hand anklägerisch auf jemand anderen zeigt, weisen mindestens drei Finger auf einen selbst zurück."

Ich habe es nachgezählt und experimentell mit eigener Hand nachgestellt. Der Daumen ist es nicht, es ist der kleine Finger, der Mittelfinger und der "Trauring, aber wahr"-Finger, die auf einen selbst zurückweisen.

Was die Elche anlangt, so war der erste Elch Wulff selber, dem bei der Flugaffäre, in die Präsident Johannes Rau verwickelt war, "physisch schlecht" geworden war angesichts der geschenkten Meilen des Vorvorgängers, der übrigens mit der Enkelin Heinemanns verheiratet war.

Nun hat es weitere Elche erwischt. Zum Beispiel Kurt Beck, der sich von Party-Schmidt zu einer Gratisflugreise von Berlin nach Hamburg hatte fliegen lassen. Ein Flugticket, dessen Rechnung von 2008 der neue "Stern" im Original abdruckt - fast 4000 Euro hat Schmidt springen lassen, um Kurt Beck auf seiner Hamburger Fete auftanzen zu lassen. Wie sagt der Alt-Elch aus der Pfalz so schön in Bezug auf Wulff? Es geht um das "hohe Amt" und die "private Reputation". Besser lässt es sich nicht sagen.

Der Zweite, den es erwischt hat, ist ein, juristisch gesprochen, "Wiederholungstäter". Cem Özdemir ist schon einmal über Flugmeilen und ein günstiges Darlehen (Wulff-ähnliche Verfehlungen, notabene) gestolpert und zur Bewährung in die luxuriöse Verbannung des Europaparlaments geschickt worden. Jetzt stolperte der Fußballfan über eine geschenkte Karte Bara gegen Real Madrid, für die Schmidt 615 Euro pro Person berappte. Die Kosten für Anreise und Hotel trugen die Grünen, es traf sich gut, dass Özdemir just an dem Tag einen Termin für ein Interview mit einer spanischen Zeitung vorweisen konnte. Schon deshalb war er also jetzt im Urteil über Wulff vorsichtiger. Aber nicht vorsichtig genug. Er sagte: Wulff müsse den "Stab über sich selber brechen", und der Fall Wulff sei "ein Fall Merkel". Da hilft es nun nichts, der Fall Özdemir bleibt ein Fall Özdemir, und den Stab muss auch er selber brechen. Über wessen Kopf auch immer.

Für die deutsche Schnäppchen- und Durchstecher-Kultur gibt es ein schönes Witz-Gleichnis von Jesus. Der sagt da vor der Ehebrecherin: "Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein." Stille. Schließlich fliegt ein Stein vor seine Füße. Jesus blickt in die Richtung und sagt: "Mama, du nervst."

Deutschland hat keine Mama, sondern bestenfalls eine Mutti.