Ob Papiere suchen auf dem Schreibtisch oder einsteigen ins Flugzeug - Ordnung hält nur auf

Das Chaos ist der Ordnung überlegen. Nicht nur beim Steuerrecht, sondern an vielen strategischen Punkten des menschlichen Miteinanders. Die Ordnung in den Regalen einer Bibliothek oder im Straßenverkehr macht Sinn; und die chinesische Armee ist klugerweise von der revolutionären Idee längst wieder abgekommen, ohne Rangabzeichen ins Feld zu ziehen.

Aber es gibt Situationen, da kostet Ordnung einfach zu viel Zeit. Es gab mal einen Kollegen, der bunkerte, was nicht aktuell benötigt wurde, unsortiert in einem großen Stapel. "Hoffnungshaufen" hieß der. Er enthielt unverlangt eingesandte Texte, Kann-Termine und Anfragen, aus denen man vielleicht mal was machen könnte, saubere Papierservietten, unbeleckte Briefmarken und ausgeschnittene Artikel. Brauchte er etwas davon, wusste er sicher, dass es noch da war. Zwei, drei Handgriffe, und er fand zuverlässig, was er wollte. Der Haufen wurde alle zwei, drei Monate durchgesehen und von dem befreit, was definitiv veraltet war. Der Kollege ist mit diesem kontrollierten Chaos immer gut gefahren.

In Amerika gibt es Kreuzungen, da hat keiner Vorfahrt. Jeder achtet auf jeden, man einigt sich. Doch, das geht! Jetzt haben zwei norwegische Forscher dies auch für den heikelsten Teil jeder Flugreise bestätigt, das Einsteigen. Es geht am schnellsten, haben sie herausgefunden, wenn man alle Passagiere einsteigen lässt, ohne nach Sitzreihen vorzusortieren. Je mehr Passagiere im Flieger in der Schlange stehen, desto mehr befinden sich zufällig direkt neben der Reihe, wo sie sitzen. Beim sortierten Einsteigen aber muss die Hälfte der Fluggäste immer warten; freundliches Drängeln geht schneller.

Nun wollen wir hier keine Zustände wie im China der Mangelwirtschaft, wo man sich, robuste Natur vorausgesetzt, bei einer Schlange immer vor den ersten Wartenden drängte, bis man nach hinten durchgereicht wurde. Vielleicht hilft ja beim Abwägen, was gerade sinnvoll ist, Chaos oder Ordnung, der Satz des Videokünstlers Nam June Paik: "When too perfect, lieber Gott böse."