Warum das Wort der Woche ein Leben lang aktuell bleibt: Es geht immer um sehen und gesehen werden

Kann man vor einem Amt "Respekt" haben? Nein, denn es hat keine Augen. "Respekt" heißt "zurückschauen" von "re-spectare". Auf gut Deutsch: sehen und gesehen werden, und sehen, dass der andere einen sieht. Ein komplexer Vorgang. Dazu gehören immer zwei. Den Blick vor einer "Respektsperson" blind zu senken ist das Gegenteil von Demokratie. Was Sinn macht: Augen auf, hinschauen, jemanden eines Blickes würdigen.

Das Besondere am Menschen ist den Psychologen erst in den letzten Jahren wie Schuppen von den Augen gefallen: Es ist das Weiße im Auge! Bei Menschenaffen ist der Augapfel nicht weiß. Na und? Just dieses unscheinbare Detail bietet enormen kommunikativen Mehrwert: Ich weiß, wo jemand gerade seine Augen hat, durch das Weiß!

Unser Auge dient nicht nur zum Sehen, sondern sendet ständig auch visuelle Reize. Nicht nur, wenn man frisch "verguckt" ist.

Deshalb sind uns Gestalten mit dunklen Sonnenbrillen auch so unheimlich, der Zugang zu ihrer Seele ist versiegelt und verspiegelt. Diese Menschen wollen cool sein und wirken auf uns kühl. Gemeinsam in eine Richtung zu schauen ist so entscheidend für uns Menschen, dass wir es üben, sobald wir von der Brust weg sind und auf Augenhöhe getragen werden.

Ein Kind ist mit dem ersten Lebensjahr schon weiter als ein Schimpanse mit 27. Das wurde ausgerechnet am Wolfgang-Köhler-Forschungszentrum Leipzig getestet (kein Witz, bitte nachlesen: Reliance on head versus eyes in the gaze following of great apes and human infants. Journal of Human Evolution. 52, 314-320).

Michael Tomasello verlockte Menschenaffen, an die Decke zu schauen, indem der Untersucher entweder den ganzen Kopf oder nur die Augen nach oben bewegte. Die Affen fanden es nur spannend, wenn sich der Kopf weit sichtbar bewegte. Unsere einjährigen Menschenkinder hatten aber bereits geblickt, dass es viel mehr auf die Augen ankommt.

Diese revolutionäre Idee der "kooperativen Augen" macht uns Menschen so erfolgreich: Ist dem einen etwas ins Auge gefallen, bleibt es nicht dort, sondern erreicht in einem Augenblick alle, die ihn "respektieren". Deshalb ist es auch das Schlimmste, bei jemandem wegzuschauen oder ihn nicht mal mit dem Hintern anzuschauen. Das ist rücksichtslos, schließlich haben wir ja da keine Augen. Zuweilen Ohren, aber darum geht es gerade nicht.

Wer sieht, dass er in seiner Absicht, gesehen zu werden, absichtlich nur mit Argusaugen oder gar nicht gesehen wird, fühlt sich getreten und tritt zurück. Affen werden das nie verstehen.