Ob Sie's glauben oder nicht, Leser K. hat sich tatsächlich die Mühe gemacht, dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes einen kritischen Brief wegen dessen Verwendung englischer Ausdrücke zu schreiben.

Ob Sie's glauben oder nicht, Leser K. hat sich tatsächlich die Mühe gemacht, dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes (den Namen behält er diskret für sich) einen kritischen Brief wegen dessen Verwendung englischer Ausdrücke in einem Rundfunkinterview zu schreiben, und er hat sogar eine Antwort bekommen. Zitat: "Daher führen Begriffe wie free-tv oder events gerade bei der jüngeren Generation zu einer besseren Verständlichkeit als die deutschen Bezeichnungen."

Auch wenn man annehmen darf, dass der namenlose Ministerpräsident diesen Antwortbrief nicht selbst verfasst, sondern von einem Referenten hat formulieren lassen - es ist schon erstaunlich, mit welcher zukunftweisenden Geste deutsche Amtspersonen sich zur Abschaffung ihrer Muttersprache bekennen.

Denn darauf läuft es doch hinaus, wenn man wegen der "besseren Verständlichkeit bei der jüngeren Generation" auf die deutschen Bezeichnungen einfach verzichtet und den grassierenden Anglizismen den Vortritt lässt. So wird der deutsche Wortschatz langsam, aber sicher zur aussterbenden Art. Auch Wörter sterben.

Die Kaltmamsell zum Beispiel. "Sie richtete Häppchen, schnitzte aus Gurken und Radieschen kleine Kunstwerke und füllte Schinkenröllchen mit Eiertunke (neudeutsch: Mayonnaise)", so beschreibt Bodo Mrozek den Job der Kaltmamsell in seinem amüsanten, zweibändigen "Lexikon der bedrohten Wörter" (bei Rowohlt). Dieser Job wird "neuerdings hochtrabend unter Catering, schlimmer noch: Event-Catering subsumiert". Ja, und Häppchen gibt es eigentlich auch nicht mehr. So was heißt heute Fingerfood. Und wenn der Geisterschreiber jenes Ministerpräsidenten für die Kaltmamsell einen zeitgemäßen Ausdruck finden sollte, dann würde er sie wohl zur "Managerin im Kompetenzteam Fingerfood" machen. Dabei ist die Mamsell (Sie ahnen es gewiss schon, liebe Leser) eine eingedeutschte Mademoiselle, also französischen Ursprungs.

Was die Übersetzung grassierender Anglizismen ins Deutsche angeht, hat die "Aktion Lebendiges Deutsch" vor einiger Zeit mal um Vorschläge zur Übersetzung des Wortes Single ins Deutsche gebeten. Darunter waren, außer dem eher nahe liegenden Alleinstehenden, der Fürsich, der Einzler und der Alleini.

Ob Sie's glauben oder nicht, Herr Ministerpräsident, deutsche Wörter können nicht nur verständlich, sondern sogar vergnüglich sein. Wie die Kaltmamsell.