Als ich am Freitagmorgen mit einem neugierig-sorgenvollen Blick zum Himmel hochsah - ich hatte abends zuvor im Fernsehen ...

... und Radio von der sich bedrohlich auf uns zubewegenden Aschewolke gehört -, war der Himmel im Prinzip blau, einige tief hängende Wolken kamen mir mit ihren schwarz runterhängenden Bäuchen bedrohlich vor. Gestern Morgen herrschte strahlendes Blau, meine sich anstrengende Fantasie sah die reine Luft aber grobkörnig, wie mit schwarzen Partikeln gesprenkelt. Kein Fluglärm war mehr zu hören.

Mir fiel Tschernobyl ein, auch da war es Ende April, damals 1986, der Himmel betörend blau, und auch da kam eine Wolke auf uns zu, wir hatten kleine Kinder, ich deckte das aufblasbare Planschbecken zu, bedeckte den kleinen Sandkasten im Vorgarten mit einer Plane, von da an galt der Rasen für meine Kinder als unzugänglich, unbetretbar. Aber über dieser unsichtbaren Bedrohung hing der Himmel, rein, azurblau und schön. Vom Fortschritt sagte der Schriftsteller Robert Musil, es hinke immer ein Bein zurück, wenn das andere in die Zukunft vorauseile. Als Beispiel nannte Musil die Post. Früher sei sie langsamer gewesen. Aber dafür hätten die Leute bessere Briefe geschrieben.

Vulkanausbrüche hat es immer gegeben. Sie waren, außerhalb der näheren Umgebung, ungefährlich, auch wenn sie die Welt vorübergehend verdüsterten. Das galt auch noch für die Zeit der Flugzeuge - solange diese noch mit Propellern flogen. Jetzt habe ich gelernt, dass die Vulkanasche erst fähig ist, den Flugverkehr lahmzulegen, seit es Düsen gibt, die von dieser Asche verstopft werden. Es ist wie mit dem Gewitter, das Flugzeuge auch nicht bedrohte, solange sie handgesteuert waren. Der Flugkörper wirkt als Faradayscher Käfig, unverwundbar. Das gilt im elektronischen Zeitalter so nicht mehr.

Zwar kann der Blitz das Flugzeug nicht zerstören, aber seine Elektronik außer Kraft setzen, sodass es wie tödlich getroffen zu Boden und in sein Verderben torkelt. Oder wie die Bahn unter dem Ärmelkanal. Auch hier, bei der Eiseskälte des eben vergangenen Winters, zerstörte das Kondenswasser die elektronische Steuerung. Es ist schon so: Je rasanter der Fortschritt seine Beine nach vorne schleudert, umso hilfloser bleiben sie erlahmend zurück. Wie Musils Briefe.