Warum Schmerz, der aufhört, unerwünscht sein kann. Sagt der Masochist zum Sadisten: “Quäl mich!“ Sagt der Sadist: “Nee!“

Lust und Schmerz hängen bisweilen auf bizarre Art zusammen. In diesem Witz steckt ein Funken Wahrheit, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Wie verarbeitet ein Hirn, das schon lange von chronischen Schmerzen geplagt wird, einen akuten Schmerz? Als Erleichterung! (Baliki, M. et al.: Predicting Value of Pain: Nucleus Accumbens Response in the Presence of Chronic Pain." Neuron 66, 2010)

Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie wurde beobachtet, wie gesunde Versuchspersonen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen auf einen Hitzereiz reagierten.

Wie zu erwarten, empfinden Gesunde es als angenehm, wenn der akute Schmerz nachlässt. Bei chronischem Rückenleiden verkehrte sich hingegen die Reaktion ins Negative.

Der "neue" Schmerz war zwar auch unangenehm, aber er lenkte ab. Für den Moment war das Hirn so beschäftigt, dass es den chronischen Schmerz weniger stark wahrnahm. Offenbar kündigt dann das Abklingen des akuten Schmerzes die gefürchtete Rückkehr der altbekannten ständigen Pein an.

Im echten Leben kenne ich das, wenn ich morgens mit maladem Kreuz aufstehe, über den Unsinn des aufrechten Ganges hadere, dann aber mit der großen Zehe am Frühstückstisch hängenbleibe. Plötzlich ist der Rücken abgemeldet, und der Zeh bekommt alle Aufmerksamkeit.

Denn dafür ist Schmerz ja eigentlich da und sinnvoll, dass wir schnell wichtige Dinge lernen wie: Eine Herdplatte ist kein guter Aufenthaltsort für eine Hand. Und das merkt man sich in der Regel auch gut, nach ein paar Sekunden, fürs Leben.

Während akute Schmerzen mit Beseitigung der Ursache relativ schnell wieder verschwinden, treten chronische Schmerzen auch dann noch auf, wenn der Ursprung des Leidens längst beseitigt ist: Die Schmerzreaktion der betroffenen Nervenzellen hat sich verselbstständigt.

In Deutschland leiden fünf bis acht Millionen Menschen an chronischen Schmerzen, oft Rücken- oder Kopfschmerzen. Die wenigsten davon werden leider von qualifizierten Schmerztherapeuten behandelt. Aber deshalb wie Doktor House sich selber auf die Hand hämmern, damit es kurz erträglich wird? Besser gleich beim ersten Schmerz richtig behandeln und nicht glauben, man müsse heroisch aushalten.

Dazu eine Anekdote aus meiner Zeit als Kinderarzt: Ein 6-jähriger Junge muss punktiert werden. Weil er privat versichert ist, kommt der Chef persönlich und erklärt in altväterlicher Manier: "Denk dran, ein Indianer kennt keinen Schmerz!" Darauf der gepeinigte Junge wörtlich: "Ich bin aber kein Indianer, du Idiot!"