Vor 20 Jahren war es noch ein Abenteuer, nachts durch Ostdeutschland zu fahren: Die schummerige Straßenbeleuchtung ...

... erinnerte an den Film "Der dritte Mann". Nach der Wiedervereinigung war es umgekehrt: Während die neuen Länder in schönstem Neonlicht erstrahlten, dimmte der Westen schon wieder herunter. Denn die Energiesparlampe, die Osram morgen vor 25 Jahren erstmals vorgestellt hatte, ist seither auf dem Vormarsch - und mit ihr die Notbeleuchtung.

Bisher dachten wir immer, Fortschritt bedeute mehr und helleres Licht. Schon in der Bibel heißt es: "Es werde Licht!", sprach Gott laut Genesis 1,3, "und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war." Im frühen Sowjetrussland war das Licht dank Lenins Elektrifizierungskampagnen so gut, dass die Alphabetisierung gelang.

Nur in der EU setzt man heute auf folgenschwere Abblend-Effekte. Im käsigen Schein der Energiesparlampen werden Haustiere für Fusselbürsten gehalten. Abends hocken die Menschen zusammen wie in den Zeiten der Tranlampe. Im Fahrstuhlspiegel wirkt man reif für den Seziertisch. Die Altersgruppen jenseits der Generation Lesehilfe rüsten ihre Bücherbestände schon auf Großdruck um.

Man könnte einwenden: Wir erdulden das ja alles für einen guten Zweck. Die Lichtausbeute einer Energiesparlampe ist pro Watt etwa fünfmal so hoch wie die einer Glühbirne, sie braucht viel weniger Strom für die gleiche Lichtmenge (auch wenn wir das bei den herrschenden Lichtverhältnissen kaum noch erkennen können). Wären 60 Prozent der deutschen Haushalte mit Energiesparlampen ausgerüstet, würden 4,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart; so viel, wie 1,8 Millionen Mittelklassewagen bei einer Fahrleistung von 15 000 Kilometern im Jahr ausstoßen, hat die Deutsche Umwelthilfe ausgerechnet.

Das Problem ist nur: Gerade wir Deutschen sind für Gemütlichkeit bekannt. Und die verbinden wir mit warmem, indirekten Licht, haben Lichttechniker in Forschungslabors erkannt. Solches Licht regt den Neurotransmitter Serotonin an, der für das Wohlbefinden zuständig ist.

Als hätte Goethe es geahnt: "Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht / den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, / und doch gelingt's ihm nicht", heißt es im "Faust I". Wie soll denn ein Volk, das lichtarm und deprimiert vor sich hinbrütet, erfolgreich den Klimawandel aufhalten?