Im vergangenen Jahr sind auf den Flughäfen weltweit 25 Millionen Gepäckstücke verloren gegangen. Jedes zweite verschwundene Gepäckstück wurde beim Umsteigen der Passagiere auf falsche Förderbänder gelegt.

Im vergangenen Jahr sind auf den Flughäfen weltweit 25 Millionen Gepäckstücke verloren gegangen. Jedes zweite verschwundene Gepäckstück wurde beim Umsteigen der Passagiere auf falsche Förderbänder gelegt. 16 Prozent verließen den Abreise-Flughafen nicht. So weit die Meldung von Freitag.

Was mich verwirrt: Gibt es womöglich auch Koffer mit Flugangst? Die im letzten Moment noch vom Ladeband springen und sagen: Ich möchte bleiben, wo ich bin? Womöglich haben Koffer Gefühle, von denen wir nichts ahnen.

Was empfindet ein Koffer die meiste Zeit - er steht im Keller und fühlt sich leer. Und plötzlich wird er hervorgezerrt, in Windeseile bepackt, zugestopft, und dann setzt sich auch noch das schwerste Familienmitglied obendrauf. Da muss sich ein Koffer schon sehr zusammenreißen, dass ihm da nicht die Hutschnur platzt - oder der Reißverschluss.

Immer nur Klappe halten, und im Auto nie vorne sitzen dürfen. Ohne Licht im Kofferraum. Und dann sofort am Flughafen unter Terrorverdacht, geröntgt, durchwühlt, und für jede poplige Flüssigkeit muss man sich rechtfertigen.

Ja, das feine Handgepäck darf mit in die Kabine, aber der Koffer, der die eigentliche Last trägt, muss in den Frachtraum, ungeheizt und mit unzureichendem Druckausgleich.

Kein Wunder, haben Koffer da schlechte Laune, gerade wenn sie auch in die Planung der Reise kaum einbezogen werden. Immer nur hinterhergezogen.

Bei Unternehmensberatern kann man es als Koffer bis zum Partner schaffen. Und wenn man bei einer noch wichtigeren Person beschäftigt ist, bekommt man sogar einen eigenen Träger. Wahrscheinlich haben diese Koffer auch eigene Meilenkonten und gewinnen zwischendurch Freiflüge ohne den Besitzer. Das würde einiges erklären.

Neulich stand ich an der ICE-Station des Frankfurter Flughafens. Lauter schwarz gekleidete Businessanzüge mit gut sitzendem Inhalt. Alle vertieft in noch schwärzere Blackberrys.

Und mittendrin eine junge Frau in kurzen Hosen und Badelatschen, neben ihrem Rucksack. Sie strahlte, kam offensichtlich gerade aus dem Urlaub. Die weiße Banderole am Gepäck verriet: Ihre Bräune im Gesicht hatte sie sich in Brasilien erreist.

Ihre augenscheinliche Erholtheit war eine Erholung für meine Augen. Und ich wünschte ihr insgeheim, sie möge sich dieses Gefühl noch etwas bewahren. Und für mich beschloss ich, ebenfalls das Leben wieder leichter zu nehmen. Ich warte am Zielort nicht mehr auf mein Gepäck. Ich nehme ab jetzt einfach den ersten Koffer, der vom Band kommt. Vielleicht passen die Sachen.

Und mit etwas Glück ist es auch ein Koffer auf der Hinreise.