Sprache, sagte Karl Marx, ist die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens. Nun wissen wir nicht, was Louis van Gaal, Fußballtrainer holländischer Herkunft, so denkt, wenn er beim FC Bayern München auf der Bank sitzt und 22 Männern in kurzen Hosen beim Spielen zuschaut - schon gar nicht, in welcher Sprache. Sehr wohl ist aber bekannt, was der Mann sagt. "Die Kultur dieser Stadt und dieses Klubs passt zu mir wie ein warmer Mantel", gab er zum Besten.

Der Meister der Sprache ist mit Aphorismen wie "Laufen ist für Tiere, Fußball ist mit Gehirn und Ball" den Philosophen Franz Beckenbauer und Otto Rehhagel auf der Spur. Seit gestern hat er seinen deutschen Kollegen schon mal eines voraus: Die Gralshüter des deutschen Zungenschlags von der Zeitschrift "Deutsche Sprachwelt" wählten den Sportlehrer zu einem "Sprachwahrer des Jahres" - der deutschen Sprache! Vor ihm landeten nur der schneidige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der locker zwischen Deutsch, Bayerisch und Altgriechisch umschalten kann, und Moderator a. D. Ulrich Wickert, der seine Nachfolger wegen ihres liederlichen Umgangs mit der Sprache tadelte - vielleicht, weil niemand so schön eine "gerrruhsame Nacht" wünschen kann. Dass Polit-Rumpelstilzchen Guido Westerwelle hinter van Gaal landet, ist derzeit keine Überraschung.

Aloysius Paulus Maria van Gaal, wie ihn seine Eltern tauften, verblüffte seine Gesprächspartner vom "Spiegel" auf die Frage, in welcher Sprache er ein Interview führen wolle, mit der Gegenfrage "In welchem Land befinden wir uns gerade, was denken Sie?" Außerdem verordnete er seiner Mannschaft Deutsch als Umgangssprache, egal ob ein Spieler aus Boulogne-sur-Mer oder aus Groningen stammt. Alles Gründe, van Gaal als Bewahrer des Deutschen Sprachguts auszuzeichnen.

Der Fußballtrainer, der schon mal Allmachtsfantasien an den Tag legt ("Ich bin wie Gott - ich habe immer recht") und selbst des landschaftsmannschaftlichen Idioms mächtig ist ("Mia san mia, und ich bin ich"), hat sogar schon neue Begriffe aus dem Wörtersee gefischt: "Wir haben diszipliniert gefußballt" - ein Wort, auf das die Fankurven gewartet haben.

Für Louis van Gaal kann es bei so viel deutschem Bewusstsein nur noch ein Ziel geben: "Ich will gern Bundestrainer werden." Ein Holländer? Ja, wieso nicht? "Ich bin selbstbewusst, arrogant, dominant, ehrlich, arbeitsam, innovativ", sagt er. Also einer von uns.