“Der Skandal fängt dann an, wenn ihm die Polizei ein Ende bereitet.“

Der Satz ist von Karl Kraus und betrifft die gute alte, schreckliche und verlogene Zeit der Doppelmoral im Fin de Siècle. Heute, gut 100 Jahre Liebe und daraus resultierender Einsamkeit später, beginnt der Skandal dann, wenn der DFB ihm ein Ende macht.

Heute nistet die Doppelmoral noch, fast nur noch bei prononcierten männerbündischen Gesellschaften, die sich durch ihre Angst vor Ansteckung durch Homosexualität definieren. Also: beim Militär (siehe den Fall Kießling in der Bundeswehr von 1984) oder beim Fußball.

Da gibt es den Fall des Oberschiedsrichters Manfred Amerell (63), offenbar von späten Verlustängsten in die Enge getrieben, und den jüngsten Fifa-Schiedsrichter Michael Kemper, der mit 27 in die oberste Schiedsrichter-Liga befördert wurde. Werden sollte. Zur Fifa. Doch vorher machte er publik, dass er von Manfred Amerell, seinem offiziellen Aufpasser, Karriere-Entscheider, sexuell belästigt worden sei.

Anstatt diese sexuellen Schmutzwäschereien in interner Aussprache aus der Welt zu schaffen, rief der DFB zum großen Saubermachen und hängte die kleinen schmierigen Peinlichkeiten (jede Privatheit wird peinlich, gerät sie ins öffentliche Scheinwerferlicht) an die große Glocke.

So las das naserümpfend amüsierte Publikum, der junge Schiri habe sich für "Dich" (Amerell) extra beim Bundesligaspiel "die weiße Hose angezogen, damit mein schwarzer Tanga vorleuchtet!" Herzig! Lustig! Auch unter Männern sind Schlüpfer also schlüpfrig.

Aber dann wurde es furchtbar ernst. Der alte Oberschiri, der wegen sexueller Nötigung im grellen Licht dastand, schlug zurück. Er veröffentlichte eine Mail seines jungen Freundes, in der dieser auf die Niederlage des FC Bayern mit seinem nicht nur väterlichen Freund anstoßen wolle. "Hoffentlich fliegen die (die Bayern) bald raus." Damit war Michael Kemper geliefert. Geköpft!

Sein alter Förderer Amerell höhnte ihm hinterher: "Er wird der erste Fifa-Schiedsrichter sein, der kein Spiel pfeift. Er kann das Fifa-Emblem nur auf seinem Schlafanzug tragen."

Klarer kann man nicht ausdrücken, dass es dem Opfer an die Unterwäsche gehen soll. Zum Zweck der Existenzvernichtung. Und niemand ist mehr in der Lage, diese Schmuddelpartie abzupfeifen.