Wir haben in diesen Tagen wieder mal reichlich Gelegenheit, über unseren sprachlichen Umgang mit dem Adjektiv “menschlich“ nachzudenken

Hamburg. Wir haben in diesen Tagen wieder mal reichlich Gelegenheit, über unseren sprachlichen Umgang mit dem Adjektiv "menschlich" nachzudenken. Selbst in den Schlagzeilen der Zeitungen erscheint es als ständiger Begleiter der Fehlbarkeit, die Menschen eigen ist, als "der menschliche Makel".

So ist es aber nicht gemeint. In Wahrigs Deutschem Wörterbuch bedeutet menschlich erst mal nur "den Menschen betreffend, zu ihm gehörig", dann aber auch "hilfsbereit, selbstlos, menschenfreundlich, wohlwollend".

Anders im Sprachgebrauch. Dort erscheint das Adjektiv "menschlich", neben dem menschlichen Makel, regelmäßig in Verbindung mit dem Ermessen und vor allem dem Versagen. Liegt es daran, dass wir die Formulierung "nach menschlichem Ermessen" als eine Einschränkung empfinden? Und das ist sie ja wohl auch.

"Nach menschlichem Ermessen" will sagen: soweit ein Mensch das überhaupt beurteilen kann. Nicht das Ermessen ist das Problem, sondern das "menschliche".

"Menschliches Versagen" ist längst eine gebräuchliche Erklärung, die hingenommen wird, als Unfallursache zum Beispiel.

Und "irren ist menschlich" - das weiß, das sagt doch jeder. Ist dieses Adjektiv "menschlich" zur Maske des Misstrauens in unsere eigenen Fähigkeiten geworden? Gründe für diese Annahme werden ständig berichtet, nicht erst jetzt.

Die zurückgetretene Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann sei doch "auch nur ein Mensch", hört und liest man nun allenthalben. Soll heißen: Was sie getan hat, tun wir so ähnlich doch alle (anonymer Begleiter hin oder her) - in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Menschen sind so, jedenfalls sind sie nicht besser.

Und wer heute den schon bei Cicero beliebten Spruch "Ich bin ein Mensch. Nichts Menschliches ist mir fremd" zitiert, der meint vermutlich: Ich habe in meinem Leben schon eine ganze Menge Schweinereien erlebt.

Wer will, mag sogar das Buch der Bücher als Zeugen aufru-fen. Dort steht schon im 1. Buch Mose (Kapitel 8, Vers 21) in Luthers Übersetzung: "... denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf."

Andererseits: Wer, wie Margot Käßmann, glauben kann: "Du wirst nie tiefer fallen als in Gottes Hand", der braucht an seinem fehlbaren Menschsein nicht zu verzweifeln. Wir dürfen unsMargot Käßmann also als einen glücklichen Menschen vorstellen.