Warum weinen Menschen? Wenn ich an dieser Stelle normalerweise frohe Botschaften aus der Wissenschaft verbreiten darf, so muss ich...

Warum weinen Menschen? Wenn ich an dieser Stelle normalerweise frohe Botschaften aus der Wissenschaft verbreiten darf, so muss ich heute auf einen blinden Fleck hinweisen: Es ist zum Heulen, aber keiner weiß genau, warum nur Menschen so tränenreich Abschiede, Trennungen und Filmszenen erleben. Zwiebelschneiden gildet nicht. Das ist rasch erklärt durch die chemische Reizung. Und meine Versuche, mit Taucherbrille beim Enthäuten der Zwiebel männlich meine Bindehäute trocken zu halten, scheiterten kläglich. Ich hätte keine Schnorchelbrille nehmen sollen ... Die Daktyrologie - Tränenkunde - steckt in den Kinderschuhen. (Der Ophthalmologe, 2009, 106, 593-602).

Jeder Deutsche vergießt durchschnittlich 70 Liter Tränen im Laufe seines Lebens - genug, um eine Badewanne zu füllen. Aber da ist einem dann doch Meersalz als Badezusatz lieber. Übrigens: Bis zum 13. Lebensjahr weinen Jungen und Mädchen etwa gleich häufig. Ausgewachsene Männer weinen 6- bis 17-mal pro Jahr, Frauen drei- bis fünfmal so viel, und dazu noch drei Minuten länger. Weinen geht bei ihnen zu 65 Prozent in Schluchzen über, aber nur bei sechs Prozent der Männer. Damit wirkt weibliches Weinen automatisch dramatischer. Frauen weinen am ehesten, wenn sie sich unzulänglich fühlen oder bei schwer lösbaren Konflikten, aber auch, wenn sie sich vergangener Lebensepisoden erinnern. Männer hingegen weinen häufig aus Mitgefühl oder wenn die eigene Beziehung gescheitert ist. Man(n)ch einer kommt da schon auf 6- bis 17-mal pro Jahr.

Wer sich richtig ausheult und meint, sich damit etwas Gutes zu tun, ist im Tal der Tränen auf dem Holzweg. Nach dem Weinen geht es den Menschen nur dann besser, wenn der Anlass für ihre Tränen auch vorüber ist. Kunststück! Klar ist nur: Weinen ist sozial, zusammen wird mehr geweint als alleine, denn es appelliert an die Tröster. Weinen kann aber auch manipulieren, denn so sieht man die Augen schlechter, der Spiegel zur Seele wird nicht klarer, im Gegenteil: Es wird verborgen, wo man hinschaut und wo man nicht hinschauen will. Brillenträger schlägt man nicht. Kontaktlinsenträger dürfte man also? Wer weint, baut sich einen Schutz auf, vergleichbar mit der Brille. Nicht nur ist er temporär sehschwach, er zeigt auch Schwäche und schwächt so den Starken. Denn der darf nicht mehr zuschlagen. Raffiniert.

Übrigens kann man auch vor Lachen weinen, denn dabei drückt der Ringmuskel um die Augen auf unsere Tränendrüse. Wohlan denn: Tränen, die man lacht, muss man nicht mehr weinen.