Seit gestern leben wir in der Kalenderwoche 53, behauptet mein Tischkalender. Haben wir als Kinder nicht gelernt, dass das Jahr 52 Wochen hat?

Hamburg. Wir befinden uns dieser Tage in einem kalendarischen Ausnahmezustand. Er hat zu Weihnachten begonnen, für die meisten von uns endet er Neujahr. Nur Kenner der Querelen um den Gregorianischen Kalender bestehen darauf, dass er erst am 6. Januar wieder aufgehoben wird. Als wäre die korrekte Datierung des Ausnahmezustands nicht schon schwierig genug, kursieren für ihn auch noch zwei verschiedene Begriffe: Zwischen den Jahren sagen die einen, zwischen den Tagen sagen die anderen.

Die zwischen den Tagen leben, haben die Etymologie auf ihrer Seite. Sie meinen ja die Zeit zwischen den Feier-Tagen Weihnachten und Neujahr. Diese Redewendung ist eindeutig pragmatisch, realistisch, unpoetisch. Zwischen den Tagen - da lehnt man sich kaum zurück. Schnell verpuffte Zeit. Tage bleiben zählbar, an den Fingern fast einer Hand.

Wie dichterisch, wie wunderbar, wie endlos dagegen lebt es sich "zwischen den Jahren"! Etwas ist irgendwie vorbei, etwas anderes hat noch nicht begonnen, dazwischen befinden wir uns wie in der Schwebe. Wie lang sie dauert, ist nicht gesagt. Zwischen den Jahren! Als hätten wir alle Zeit der Welt. "Samstags gehört Vati mir!", hieß es auf Gewerkschaftsplakaten der 50er-Jahre, die für die Einführung der Fünftagewoche warben. Diese Woche jetzt zwischen den Tagen oder zwischen den Jahren, diese Niemandszeit, ist wie eine Woche voller Sonnabende. Denn zwischen Weihnachten und Neujahr, so jedenfalls die poetische Illusion, gehören wir mehr als die übrigen 51 Wochen im Jahr - uns.

Doch halt! Seit gestern leben wir in der Kalenderwoche 53, behauptet mein Tischkalender. Haben wir als Kinder nicht gelernt, dass das Jahr 365 Tage und 52 Wochen hat? Wo kommt die 53. Woche her, und warum schließt sie auch die ersten Tage des neuen Jahrs mit ein? Müsste der Zeitraum vom 28. bis 31. Dezember nicht eigentlich die zweiundfünfzig-viersiebtelte Woche heißen? Und die Krüppelwoche vom 1. bis 3. Januar die Dreisiebtelwoche vor der ersten Kalenderwoche? Babylon, wie warst du amtlich und korrekt!

Übrigens: Wer 52 ist, hat schon ein ganzes Jahr Lebenszeit zwischen den Jahren angesammelt. Weil diese Wochen metaphorisch außerhalb der messbaren Zeit stehen, wird also, wer nächstes Jahr 53 wird, in Wirklichkeit erst 52. Wenn das kein Trost ist zwischen den Jahres-Tagen!