Soll keiner behaupten, die SPD wisse nicht, was sie zurückgewinnen muss, um sich von dem katastrophalen Wahlergebnis (23 Prozent) zu erholen.

Soll keiner behaupten, die SPD wisse nicht, was sie zurückgewinnen muss, um sich von dem katastrophalen Wahlergebnis (23 Prozent) zu erholen. Wählerstimmen? Na klar, aber wie? Der neue Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und seine Generalsekretärin Andrea Nahles haben es gesagt, vergangene Woche auf dem Parteitag und im Fernsehen: Die "Deutungshoheit" im Lande müsse die Partei zurückgewinnen.

Das ist eine zweifelhafte Wortwahl. Man kann ja verstehen, dass einer, der, wie Gabriel, von seiner Partei schon mal als "Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs" losgeschickt worden ist, nun, als Parteichef, Anspruch auf ein gewisses Maß an Hoheit anmeldet. Aber wenn Deutungshoheit nicht heißen soll, dass es nur noch eine, nämlich die hoheitlich verordnete Meinung, geben darf, dann ist der Begriff bloß eine verbale Blendgranate.

Deutung steht für: Erklärung, Auslegung. Und was gewänne die SPD dabei, Politik auszulegen, wenn diese nicht von ihr, sondern von der Regierung gemacht wird? Nichts, was sie nicht ohnehin schon hat.

Die Regierung wiederum muss zur Einlösung ihrer Versprechungen viel "Geld in die Hand nehmen", so hört und liest man allenthalben. Das ist auch so eine verlogene Redensart. Davon, dass jemand Geld bloß in die Hand nimmt, wird nichts erworben und nichts verändert, besonders wenn es gepumptes Geld ist. Der Spruch soll wohl vernebeln helfen, dass die Regierung zwar Geld ausgeben will, aber nicht weiß, woher sie es nehmen soll - oder nicht zugeben will, dass sie es am Ende nur uns, den Steuerzahlern, aus der Hand nehmen kann.

Jedenfalls darf man die wortschöpferische Begabung von Amtspersonen aller Art nicht gering schätzen. Das zeigt auch eine Beobachtung, die Leser H. in Prisdorf an der Bahnstrecke Pinneberg-Elmshorn gemacht hat. Dort ist ein demoliertes Wartehäuschen gegen ein neues ausgetauscht worden - was auf einem Schild mit folgendem Text verkündet wird: "DB. Sonderprogramm Personenverkehr. Ertüchtigung kleiner Stationen".

Leser H. erinnert sich, dass er gegen Ende des Krieges als damals Fünfzehnjähriger in einem Wehrertüchtigungslager lernen musste, wie man mit Waffen umgeht. "Ich bin ja nun sehr gespannt", schreibt er, "ob sich die Ertüchtigung im Verhalten unserer Station bemerkbar machen wird."

Hoffen wir das Beste, lieber Leser.