Heute kann ich mir keinen Reim auf die Milliarden machen, die die Millionen verschlungen haben. Schulden auf erdulden.

Hamburg. Früher sagte man, wenn man etwas, das in einen Zusammenhang gebracht worden war, das eine logische Kette oder konsequente Folgerung darstellte, in Wahrheit jedoch nichts miteinander zu tun hatte, früher also sagte man: Darauf kann ich mir keinen Reim machen!

Das war die Zeit, als sich Liebe noch auf Triebe reimte, Herz noch auf Schmerz - wobei man sagen muss, dass es bei Reimen Abnutzungserscheinungen gibt. Der Erste, der Herz auf Schmerz reimte, war ein Genie, die 100 000 danach sind, freundlich ausgedrückt, Epigonen. Epigonen, ja, das reimt sich auf Millionen, Klonen und ist einfach wie "Seid umschlungen, Millionen" (Reim der Europahymne auf "... Vater wohnen und Äonen, und zwar überm Sternenzelt"), wie "Oppositionen" Mist.

Heute kann ich mir keinen Reim auf die Milliarden machen, die die Millionen verschlungen haben. Schulden auf erdulden. Ich habe aber dieser Tage ein wunderbares neues Buch erworben, das "Sonderbare Lexikon der Deutschen Sprache" (Eichborn Verlag), der Autor heißt CUS, und da finde ich, dass es im Deutschen keinen Reim auf "Menschen" gibt. Nichts! Fehlanzeige. Glück reimt sich auf Politik. Geschick auf Republik. Aber Menschen. Fehlanzeige!

Da musste ich dem klugen Lexikon widersprechen, denn Schiller reimte "Menschen" auf "Wünschen". Mensche - wensche: in schwäbischer Mundart geht das. So wie der Hesse Goethe "Neige" auf Schmerzensreiche" reimte. Aber Peter Rühmkorf fand einen Reim, sogar einen Vers: "Die schönsten Verse der Menschen (...) sind die Gottfried Bennschen." Dazu allerdings muss man wissen, dass Benn ein großer deutscher Reimer war, ein Dichter. Auch Monat und Silber kann man im Deutschen nicht reimen. Und mir fällt angesichts des skurrilen, sonderbaren Wörterbuches ein, dass einst Heinz Erhardt, wieder ein Dichter, ein Gedicht vortrug, in dem ein Fischer einen "Barsch" fangen und angeln wollte. Der Reim darauf: "Das Wasser steht ihm bis zum Knie!" "Reimt sich nicht!", schrien die Zuhörer. Und Heinz Erhardt antwortete, da müssten sie warten, bis die Flut kommt. Ein Reim, arsch, würde Goethe im Hessischen sagen, arsch weit hergeholt.

Zum Schluss, dank des schlauen Buchs, noch ein paar Wörter, auf die sich nichts reimt. Sie sind sozusagen reimfest: Silber, Mönch, Kanzel und fünf. Kanzel reimt sich nicht, dafür aber Kanzlerin, und man könnte Goethes "Faust" variieren: "Doch halt ich es für etzlichen Gewinn, dass wir statt einen Kaiser haben eine Kanzlerin." Und es war Schiller, der in der "Ode an die Freude" schon die Wirtschaftskrise vorahnte: "Seid verschlungen, Millionen!"

Auf Milliarden kann ich mir auch diese Woche immer noch keinen Reim machen.