Margo Honecker im fernen Chile probiert sich nun als Wahrsagerin: Der Sozialismus kommt wieder. Für sie bleiben Wende und Mauerfall Verrat.

Prüde war die DDR nicht. Es gab nicht nur eine große Schar von FKK-Anhängern (aus Überzeugung, nicht wegen des Mangels an Badetextilien), und sogar Miss-Wahlen wurden abgehalten. Regelmäßig gewann die Frau des Chef-Ökonomen Günter Mittag den Titel der Miss Wirtschaft, die Gattin des Stasi-Chefs Erich Mielke wurde Miss Traun, und Margot Honecker war abonniert auf den Titel Miss Bildung.

Die andere Hälfte - ob sie die bessere oder schlechtere war, ist bis heute umstritten - des Partei- und Staatschefs Erich war seit 1963 Bildungsministerin der größten DDR der Welt. Sie bescherte den Schulkindern und deren Eltern neben der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule und der damit garantierten Entwicklung zur allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit auch das Fach Wehrerziehung. Der Klassenfeind sollte notfalls mit der Waffe in der Hand bekämpft werden. Das musste rechtzeitig mit Geländemärschen, kleinkalibrigen Maschinenpistolen und Handgranatenweitwurf geübt werden.

Funktioniert hat das im entscheidenden Moment im Herbst 1989 zum Glück nicht. Margot Honecker, mittlerweile 82, sitzt deswegen heute im fernen Chile bei Tochter und Schwiegersohn, erfreut sich ihrer Rente und probiert sich nun als Wahrsagerin.

"Der kommt wieder", sagte sie dem ARD-Magazin "Panorama" in die laufende Kamera und meinte damit nicht ihren toten Erich, sondern den ebenso verblichenen Sozialismus. Auf die Nachfrage: "Auch in Deutschland?", antwortete sie tapfer: "Warum nicht in Deutschland?" Vielleicht weil der Sozialismus mit seiner Diktatur des Proletariats Land und Leute ruiniert hat? Den Einwand wird sie, die die größten Mangeljahre im Arbeiter- und Bauernstaat DDR im Raumschiff Wandlitz und auf Staatsreisen tapfer durchgestanden hat, wohl nicht gelten lassen. Für sie bleiben Wende und Mauerfall Verrat. Und der Glaube an den berühmt gewordenen Satz ihres Mannes, der noch zum 40. Republikgeburtstag lauthals verkündete, dass den Sozialismus in seinem Lauf weder Ochs noch Esel aufhalten könnten.

Da klingt das Bekenntnis der frisch zusammengeschnürten rot-roten Koalition in Brandenburg mit der ehemaligen Stasi-Zuträgerin Kerstin Kaiser in führender Position, man wolle in Sachen DDR-Vergangenheitsbewältigung keine Schlussstrich-Politik betreiben, schon fast wie eine Drohung.