Wie Konzerne früher und heute ihre Angestellten belohnen. Graf Bobby und die Sex-Dienstreise der Hamburg-Mannheimer

Da ich zurzeit ein Buch über das Wesen des Witzes und seine Zeitgebundenheit schreibe, kam mir auch der folgende Witz aus dem alten Österreich, oder auch dem alten Preußen, unter die Finger:

Da tätigt ein Chef einer kleinen Fabrik in der Provinz in Wien, oder auch in Berlin, einen besonders erfolgreichen Geschäftsabschluss und zieht danach gut gelaunt erst die Spendierhosen an und später wohl auch aus. Er schmeißt sich und seinem Prokuristen eine Runde Nachtklub, inklusive Damenprogramm bei rosa Schampus und im Separee. Als die beiden nach durchstürmter Nacht das Etablissement gemeinsam verlassen, sagt der Chef, inzwischen ernüchtert und verdrießlich geworden, zu seinem Prokuristen: "Also, ich weiß nicht. Meine Frau ist besser!" Worauf der Prokurist ihm in liebedienerischem Eifer zustimmt und sagt: "Viel besser! Viel besser!"

Dieser Witz geht wie ein Schrapnell nach zwei Seiten los, die Ergebenheit des Prokuristen erweist sich als blanke Unverfrorenheit, und ich dachte mir: Mein Gott, hat dieser Witz Patina angesetzt. Das gibt es doch alles gar nicht mehr. Ich erinnerte mich an Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" aus den 40er-Jahren, wo der Held Willy Loman, geschäftlich erfolglos, von seinen Söhnen in flagranti mit einer damals sogenannten "leichten Person" erwischt wurde.

Immer geht es um dasselbe. Die Geschäftsreise der erfolgreichen Vertreter ist kein Heimspiel, sondern im Gegenteil. Nun hat mich eine Geschäftsreise der Hamburg-Mannheimer daran erinnert, dass gestern auch heute und morgen ist, denn die Hamburg-Mannheimer hat erst im Jahr 2007 ihre erfolgreichsten 100 Mitarbeiter, die den Kunden Versicherungspolicen verkauften, zu einer Sause nach Budapest eingeladen. In die berühmte Therme des Gellert-Bades, Jugendstil pur, k.u.k.-Doppelmoral vom Feinsten. Dort waren den Herren 20 Prostituierte zu Diensten, die für geleistete Arbeit einen Stempel auf den Arm bekamen, um abrechnen zu können. Getränke und alles inklusive. Dabei herrschte eine Hackordnung, die noch am nackten Frauenkörper durch farbige Bänder ablesbar war. Weiß z. B. für die "Generäle". Der VW-Betriebsrat Hartz 6 lässt grüßen. Mir fällt dazu ein ebenfalls im Fin de Siècle ergrauter Scherz ein:

Fährt Graf Bobby nach Budapest und hat alle Koffer voller Butterbrote. Da sei zwar nichts zu verzollen, sagt der Grenzer: "Aber warum nehmen Sie die alle mit?" Darauf Graf Bobby: "Mein Freund, der Esterhazy, hat gesagt, in Budapest kannst a Frau für'n Butterbrot haben." Oder in Berlin für 'nen Appel und 'n Ei.

In der teuren Gegenwart winkt den Leistungsfähigen Schwitzbad mit Schampus.