Sag mir, wo die Telefonzellen sind, wo sind sie geblieben? Warum das Mithören von Handy-Gesprächen so stört.

Wen hätten Sie im Zugabteil lieber gegenüber: zwei Leute, die sich unterhalten oder einen, der telefoniert?

Sartre schrieb den großen Satz "Die Hölle, das sind die anderen" vor der Erfindung des Mobilfunks. Für mich kommt seiner Horrorvision der "Geschlossenen Gesellschaft" ein ICE-Großraumwagen mit schlechtem Handyempfang am nächsten! Als Unbeteiligter hört man zwangsläufig von allen Seiten "Schatz, ich versteh dich grundsätzlich schon, nur gerade eben warst du weg", "hab nur noch einen Balken" bis zur gebrüllten kompletten Ignoranz gegenüber Mitreisenden und der Übertragungstechnik "Du musst lauter reden, ich versteh dich sonst nicht!"

Sobald ich selber telefoniere, sorge ich mich natürlich auch um den Empfang. Aber sobald andere ein Gespräch annehmen, bin ich schlecht aufgelegt. Da ersehne ich mir einen langen Tunnel, einen Korridor der Stille. Man sieht den Splitter im Auge des Gegenübers, aber nicht die Balken auf dem eigenen Handy, zumindest nicht, wenn es am Ohr ist. Wieso werden laute Telefonate in der Öffentlichkeit als so lästig empfunden? Forscher der Cornell University haben es getestet: Studenten machten Konzentrationsübungen, während sie einem echten oder einem halben Dialog zuhörten. Fehlte ein Teil, machten sie mehr Fehler. Kurioserweise fesseln unvollständige Dialoge unsere Aufmerksamkeit doppelt. Werden wir Zeuge einer konventionellen Konversation, können wir "abschalten", wenn sie uns nicht interessiert. Aber unsere Aufmerksamkeit bleibt gefesselt, wenn wir nur die Hälfte mitbekommen, weil wir automatisch versuchen, die andere und vermeintlich bessere Hälfte zu erraten und zu ergänzen. Daher nervt ein halber Dialog so viel mehr als ein ganzer, weil wir "ganz Ohr" sind, statt nur mit "halbem Ohr" zuzuhören.

Das ist das Problem im Zug - man kann so schwer auf Durchzug schalten! Deshalb sind Handys beim Autofahren selbst dann gefährlich, wenn sie nur vom Beifahrer benutzt werden. Die Ablenkung trifft den Wagenlenker doppelt. In Graz führte das sogar zu einem Benutzungsverbot von Mobiltelefonen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Schritt in die richtige Richtung! Was ist denn aus den ganzen Telefonzellen geworden? Warum stellt man die nicht einfach wieder auf? Ohne Technik, nur die Häuschen. Jeder Mobiltelefonierer kann sich dezent hineinstellen, braucht auch keine Angst mehr zu haben, dass alle mithören - im Gegenteil werden die Gespräche wieder konzentrierter und besser. Und in den Zügen gibt es neben der Nass- auch eine Telefonzelle für die kommunikative Notdurft.

Vielleicht findet sich auch noch einer dieser Aufkleber: Fasse dich kurz!