Mit Wörtern, deren Bedeutung nicht völlig klar ist, sollte man vorsichtig umgehen.

Ob ich mich nicht aus gegebenem Anlass mit dem Wort "gewaltbereit" auseinandersetzen wolle, fragt Leserin M.R. Ihr jedenfalls sei nicht ganz klar, woran man die Bereitschaft zur Gewalt erkenne, bevor sie stattfindet.

Das ist - wie man gern sagt, wenn man die Antwort nicht weiß - eine gute Frage. Die gängigen Wörterbücher helfen da auch nicht weiter. Der Duden kennt das Wort natürlich, erläutert es aber nicht; der Wahrig setzt es ungeniert mit gewalttätig gleich - was ja eben nicht stimmt. Der Brockhaus weiß immerhin, dass "die Schwierigkeiten im deutschen Sprachgebrauch besonders in der vielfältigen Möglichkeit von Wortzusammensetzungen mit dem Begriff Gewalt liegen". Das ist das Problem. Aber wo ist die Lösung? Wo sind Antworten auf die Fragen der Leserin? "Lässt ein vermummter Jugendlicher schon den Schluss auf Gewaltbereitschaft zu? Sind alle Teilnehmer einer Neonazi-Demonstration grundsätzlich gewaltbereit? Und sollten unsere Polizisten niemals gewaltbereit sein?"

Ich habe darauf keine klärenden Antworten, allenfalls Meinungen. Als Sprachkritiker kann ich nur empfehlen, mit Wörtern, deren Bedeutung nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist, sehr vorsichtig umzugehen - das heißt im Effekt, sie lieber gar nicht zu verwenden.

Mir fällt in diesem Zusammenhang das Adjektiv nachhaltig ein. Laut Wahrig: "anhaltend, lange nachwirkend, dauernd". Im herrschenden Polit-Jargon aber ist die Nachhaltigkeit durch inflationären Gebrauch zur Mode geworden. Man nennt so gut wie alles nachhaltig, was den Eindruck erwecken soll, die Politiker hätten die Probleme im Griff, und die Maßnahmen zu deren Lösung seien verlässlich. Gewiss kann Nachhaltigkeit als dauerhafte Problemlösung positiv wirken, aber wohl kaum als das neue Mantra des Polit-Jargons.

Übrigens ist der Begriff steinalt. Er taucht bereits 1713 auf: in der deutschen Forstwirtschaft. Nachhaltigkeit bezeichnet demnach die Bewirtschaftung eines Waldes, dem immer nur so viel Holz entnommen wird, wie nachwachsen kann, sodass der Wald sich immer wieder regeneriert.

Schön wär's, wenn alle, die nun immerzu von Nachhaltigkeit reden, diese Bedeutung im Sinn hätten.