Trennen sich Eltern, wird die Mutter oft zur alleinigen Bezugsperson. Für Väter ist es schwierig, dann einen guten Kontakt zum Kind aufrechtzuerhalten. Möglich ist es aber.

Die Trennung der Eltern ist für das Kind ein Schock. Umso wichtiger ist es, dass beide ihm Geborgenheit, Liebe und Sicherheit geben. Weil aber in 90 Prozent aller Fälle das Kind nach der Trennung bei der Mutter bleibt, haben es Väter schwerer, für Sohn oder Tochter da zu sein. Psychotherapeut Peter Ballnik verrät in seinem Buch "Vater bleiben - auch nach der Trennung", wie es trotzdem gelingen kann. Ein Ratgeber in elf Schritten.

Mit der Ex zusammenarbeiten

Der Weg zum Kind führt über die Mutter. Darum ist es notwendig, dass der Vater zur Mutter ein gutes Verhältnis aufbaut. Dafür muss er zwischen der Paar- und der Elternebene unterscheiden und Konflikte mit der Ex-Frau zum Wohle des Kindes hintenanstellen. Der Mann sollte sich auf seine Vaterrolle konzentrieren. Bei Gesprächen mit ihr sollte er sein Interesse am Kind in den Mittelpunkt stellen und sich regelmäßig erkundigen, wie sich Sohn oder Tochter in der Schule machen. Auch wenn es am Anfang wahrscheinlich schwerfällt: Ein höflicher Umgangston entlastet auch das Kind.

Als Vater präsent bleiben

Für das Kind ist es wichtig, weiterhin regelmäßigen Kontakt mit dem Vater zu haben. Präsent sein heißt aber nicht, dass jedes Treffen besonders lustig und aufregend sein muss oder das Kind mit teuren Geschenken überhäuft werden soll. Wenn es sieht, dass der Vater in der Theateraufführung sitzt oder es beim Fußballspiel anfeuert, spürt das Kind, dass es ihm wichtig ist.

Aus der Zerrissenheit befreien

Die Mutter feiert Geburtstag, und am gleichen Tag findet ein Grillfest beim Vater statt. Das Kind fühlt sich hin- und her gerissen, zu wem es nun gehen soll. Hier müssen Eltern eine gemeinsame Lösung finden: Nach Kaffee und Kuchen könnte es zum Vater gefahren werden. Das Kind soll sich in beiden Welten zu Hause fühlen dürfen. Wichtig: Konflikte nicht vor dem Kind austragen. Könnte ein Streit eskalieren, sollte der Vater in ruhigem Ton anbieten, später am Telefon darüber zu sprechen. Und auf keinen Fall sollte das Kind zum Boten gemacht werden, nach dem Motto: "Sag deiner Mutter, sie wird ihr Geld schon kriegen."

Dem Kind Orientierung geben

Die Besuchszeiten sollten mit der Ex-Frau klar definiert werden. Mindestens jedes zweite Wochenende und einen Nachmittag oder Abend in der Woche sollte der Vater mit dem Kind verbringen. Die Absprache sollte dem Kind mitgeteilt werden. Denn es kann zur Belastung werden, entscheiden zu müssen, wann es den Vater sehen will und ob es Zeit lieber mit Mama oder Papa verbringt. Die Eltern müssen einen verlässlichen Rhythmus festlegen.

Racheaktionen stoppen

Die wenigsten Paare trennen sich im Guten. Doch Konflikte können konstruktiv gelöst werden. Auf gar keinen Fall sollte ein Elternteil vor dem Kind schlechtgemacht werden, nach dem Motto: "Deine Mutter war schon immer schwierig. Also hör nicht darauf, was sie sagt." Heikle Themen wie Alimente oder Urlaubsregelungen sollten unter vier Augen besprochen werden. Nach der Scheidung gibt es eine Mutter- und eine Vaterwelt. Beide müssen akzeptiert werden.

Kontakt zum Kind aufnehmen

Ist der Kontakt zwischen Vater und Kind abgebrochen, sollte der Vater dies so schnell wie möglich ändern. Dazu sollte er sich an die Ex-Frau wenden und mit ihr ein Treffen mit dem Kind vereinbaren. Zeigt das Kind ihm zunächst die kalte Schulter, muss der Vater am Ball bleiben. Es braucht Zeit, wieder Nähe aufzubauen. Daher sollte das erste Treffen nicht zu lange dauern. Hat sich der Vater lange nicht gemeldet, ist auch eine Entschuldigung fällig: "Ich habe dich enttäuscht, aber ich möchte es jetzt besser machen." Auch wenn das Kind darauf skeptisch reagiert, gleich ein neues Treffen ausmachen.

Schuldgefühle nehmen

Bis zum elften Lebensjahr glaubt das Kind, es ist der Mittelpunkt der Welt (Omnipotenz). Lassen sich die Eltern scheiden, denkt es, das ist seine Schuld. Weil es vielleicht nicht immer artig war, ist Papa ausgezogen. Darum ist es wichtig, immer wieder zu sagen, dass es nichts für die Trennung kann. Und obwohl Scheidungen heute keine Seltenheit mehr sind, schämen sich einige Kinder dafür. Die Eltern sollten klar sagen, dass es dafür keinen Grund gibt und als Vorbild dienen: Gehen sie souverän mit der Situation um, kann das Kind seine Scham leichter überwinden.

Dem Kind Sicherheit geben

Eine Scheidung wird vom Kind als Vertrauensbruch betrachtet. Noch ein bis zwei Jahre danach reagieren Kinder verunsichert. Das Gefühl von Sicherheit muss erst wieder aufgebaut werden. Das Kind braucht die Sicherheit, dass der Vater ihm dabei hilft, wenn es nach draußen in die Welt zieht, zum Beispiel auf eine neue Schule wechselt oder eine Berufslehre beginnt. Verabredungen und Termine sollte der Vater daher unbedingt eingehalten. Kommt ihm doch mal etwas dazwischen, sollte er das Kind anrufen, um ihm direkt abzusagen. So bekommt das Kind wenigstens ein Gefühl von Respekt vermittelt.

Den Verlust verstehen

Eine Scheidung ist für das Kind ein Verlust: Die Welt zu dritt gibt es nicht mehr. Nie wieder gemeinsam am Frühstückstisch sitzen oder einen Familienausflug machen. Besonders bei den Übergaben wird das schmerzlich deutlich. Daher reagieren Kinder in den ersten Tagen beim Vater oder bei der Mutter vielleicht erst mal trotzig. Es ist ein Fehler, daraus zu schließen, dass der andere Elternteil dem Kind nicht gut tut. Es muss sich erst an eine Lebenssituation gewöhnen, die es selbst nicht wollte. Es verbringt gern Zeit mit dem Vater, aber ein intaktes Familienleben wäre ihm lieber. Schönreden hilft in diesem Fall nicht. Der Vater sollte die Trauer des Kindes zulassen.

Eigenes Befinden zurückstellen

Auch wenn es dem Vater schlecht geht, muss er sich vor Augen halten, dass das Kind ihn braucht, sonst verkraftet es die Trennung nicht. Was sie zusammen machen, ist dabei egal. Ein gemütlicher Fernsehabend ist völlig okay. Hauptsache, sie verbringen Zeit miteinander. Manchmal hilft es in der ersten Trennungsphase auch, den direkten Kontakt mit der Ex-Frau zu vermeiden. Ein Freund oder Verwandter, den das Kind gut kennt, könnte es abholen und wieder zurückbringen. Wird der Vater nicht allein mit der Trennung fertig, sollte er sich psychotherapeutische Hilfe holen, um schnell wieder auf die Beine zu kommen und fürs Kind da zu sein.

Hilfe von Dritten holen

Sollte das Kind noch drei Monate nach der Trennung mit Wut, Klammern oder psychosomatischen Beschwerden reagieren, obwohl die ersten zehn Schritte beachtet wurden, sollte psychotherapeutische Hilfe aufgesucht werden.